Montag 30.03.2020 Tag fünfzehn des Hausarrests
Der Genesentotenindex steigt
Ich bastle mir was positives
Ich habe viele positive Nachrichten zu verfassen. - Meine Steuerabrechnung für das erste Quartal in diesem Jahr habe ich um 09:30 Uhr begonnen und um 11:15 Uhr bereits abgeschlossen. - Das wäre vielleicht sogar noch schneller gegangen, wäre ich mir von Anfang an klar gewesen, welche Musik ich denn dazu höre. - BAP ist es geworden, die alten aus den 80er Jahren, ja, ja, es ist verdammt lang her. - Meine Frau hat natürlich gemeckert, da ich das immer zu laut anmache, ihrer Meinung nach, aber ich hielt ihr entgegen, ich könne auch Reggaeton anmachen und das tut auch schon leise weh. -Wir haben ja unsere Vermittlungsfirma abgegeben, also musste ich nur noch die Steuererklärung für unsere beiden eigenen Appartements machen und das ist deutlich überschaubar. - Die nächste gute Nachricht ist, die kommende Steuererklärung, also Anfang Juli für April, Mai und Juni, die dauert sicher nur noch 20 Minuten und mit der gesparten Zeit habe ich dann noch viel Zeit übrig, mich um das Tagesgeschäft im ländlichen Tourismus auf La Palma zu widmen. - Wir hatten das schon mal: Ist es noch Sarkasmus, oder bereits scharf auf der zynischen Seite angekommen?
Nein, wir haben gute Laune. Auch wenn uns dieses Virus schon die Planung bis zur Rente zunächst mal verhagelt hat, aber ich darf nicht meckern, andere haben noch 30 Jahre bis zur Rente vor sich, ich nur noch 12 oder 16 Steuerabrechnungen. - Auch hat uns ein Nachbar so viele Orangen und Mandarinen geschenkt, dass wir bald so aussehen wie Donald Trump, aber er kann das Zeug wohl im Augenblick nicht in der Menge verkaufen, wie es ihm im Lager verdirbt. - Ich wollte ihm dann noch sagen, wenn du uns das schenkst, dann kaufen wir morgen auch keine Orangen im Supermarkt, aber ich bin es auch irgendwann leid, als gelernter Kommunist anderen immer die Marktwirtschaft erklären zu müssen. Mit den Nachbarn treffen wir uns heimlich auf Wegen hinter dem Haus, aber immer mit Abstand und laufen im gleichen Tempo vor- oder hintereinander her, um uns bloß nicht auf die Pelle zu rücken aber dennoch alle Neuigkeiten mit zu bekommen. - Irgendein Depp, oder kognitiv Diverses, hat vorgestern erneut unsere Müllcontainer auf der nahen Durchgangsstraße angezündet. Einige Nachbarn haben nun stringente Theorien entwickelt, was man denn mit denen machen müsste, falls man die erwischt und ich wusste gar nicht, wie meine Nachbarn so drauf sein können, nach 2 Wochen Kneipenentzug. - Ich kann denjenigen, welche da nächtlich rumzündeln also nur empfehlen, das nicht mehr bei uns in der Nähe zu machen, oder besser gleich überhaupt nicht, ansonsten wäre die Nachrichtenlage auf der Insel ein paar Tage deutlich interessanter.
Ansonsten bemüht man sich irgendwie die Laune im Land aufrecht zu halten. - Die Zahlen geben immer was her, was man denn zeigen will und man kann in der Tat ein bisschen jonglieren mit der Statistik. Für La Palma tut sich nicht viel, man zieht 25 neue Proben und davon sind deren 4 als positiv aufgefallen und so steht nun als Gesamtzahl der Infizierten auf der Insel bei 53. Natürlich kann man nun hingehen und den verlangsamten prozentualen Anstieg der letzten Tage als Hoffnungsschmiermittel auftischen, denn sicher bekommt ja niemand mit, dass vier von 49 weniger Prozent sind als vier von 20… Macht nichts, wichtig ist doch eigentlich was hinten rauskommt und nun bekenne ich mich wohl des Zynismus schuldig. - Ganz zart umschrieben, eigentlich nur wirklich von aufmerksamen Leuten lesbar, kann man in einer großen spanischen Tageszeitung rauslesen: Es sei erstmalig vorgekommen, dass der Anstieg der genesenen Personen prozentual höher ist, als der, auch wieder prozentuale Anstieg, der Verstorbenen in Sachen Covid-19. - Da man in dem Vergleich keine weiteren Faktoren braucht, wie Anzahl der Tests und Alter und Vorerkrankungen, sei diese Zahl die einzig verwertbare in Sachen brauchbarer Hoffnung. - Bitte, das habe ich da so rausgelesen, die haben das schöner verpackt und schon gar nicht haben die von einem Genesen-Toten-Index gesprochen. - Aber ab und zu steckt selbst im dunkelsten Zynismus der eigentliche Hoffnungsschimmer und ich gehen jetzt Abbitte leisten und höre mir zur Strafe zehn Minuten Helene an. - Ja, ich kenne wenig Gnade mit mir selbst.
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