07.12.2021 Tag achtzig der Eruption
Dienstag 07.12.2021 El Paso 07:00 Uhr
Mal was Neues: Ascheregen…
Sensationstourismus, kann ich nicht
Mein Tag beginnt früh, so gegen 05:00 Uhr. - Wenn um 7 Uhr was geschrieben stehen soll, dann muss ich so früh aufstehen, aber das wird ja bald wieder anders. - Ich wundere mich noch, dass es so leise ist draußen, aber nach den ersten paar Metern ist es klar warum, es regnet erneut Asche. - Hat gerade angefangen, knirscht erst ein bisschen unter den Schritten und schnell drucke ich die Wettervorhersage aus, mit dem scharfen Wind aus Nordost, um sie der Aschewolke vors betrügerische Antlitz zu halten. - Das kündigte sich aber gestern Abend bereits an. - Den ganzen Tag über nur Wasserdampf und dieses komische Stampfen, dann gegen Abend, als wolle man mal wieder die angereisten Gäste belustigen, dicke, schwarze Wolken aus dem alten Schlot. - Dann wurde es Nacht und wir haben so gut wie überhaupt keinen "Jet" sehen können. - Ob die Wolken zu dicht waren, oder wirklich nur noch Reste eines Gasaustritts, das muss ich offen lassen. - Die letzten 10 Tage hat der Passat jeden Tag funktioniert, heute Morgen nicht mehr und ich hoffe mal, das ist nur für einen kleinen Moment, denn meine Besen sind schon abgenutzt und stumpf und eigentlich will ich diesen ganzen Mist nicht mehr. - Aber das hilft nichts, wir werden wieder die Ärmel hochkrempeln müssen und erneut in die Ascheschlacht gehen. - Immerhin haben wir noch Dächer und Terrassen zu fegen, also gehören wir zu den Privilegierten. - Was da im Krater passiert ist, dass plötzlich wieder so schwarze Wolken über das Tal ziehen, wir arbeiten daran. - Die Daten geben das übliche Bild der letzten Tage wieder: Wenige Beben mit geringen Magnituden, verglichen mit den Zahlen der letzten Wochen und "unten", also ab 30 Kilometer Tiefe, passiert noch weniger. - Der Tremor wird ein wenig schmaler, fast muss man es glauben, um es wahrzunehmen, aber das würde schon zu dem nächsten Eindruck passen, der auch weniger Lavaausstoß vermutet. - Ich habe unten ein Bild von heute Morgen dazu, gleiche Uhrzeit, gleicher Standort wie gestern und das zeigt deutlich weniger Lava für heute. - Ist natürlich nur eine Momentaufnahme, könnte aber eben die kleine Beruhigung des Tremors erklären. - Wie viel Lava noch aus den Spalten im Süden kommt, das kann ich nicht beurteilen, der Lichtschein verschwindet hinter dem des Lavastroms des Hauptkraters für unseren Blick.
Gestern Abend dachten wir mal, wir gucken uns den Hotspot des La Palma Vulkantourismus an, liegt ja schließlich gleich um die Ecke, an der Kirche von Tajuya. - Das sind ja nur ein paar Meter und es tut gut, die Knochen noch ein bisschen vor dem Schlafen durchzuschütteln. - Es war noch hell, also vor der eigentlichen Beobachtungszeit, aber schon auf dem Weg dorthin begegneten uns viele Fahrzeuge auf dem kleinen Nachbarschaftsweg, welcher erst zur Hauptstraße führte. - Am Steuer: Er, Sie daneben mit dem Handy in der Hand und Anweisungen gebend, dahinter ein Pennäler mit Abgrund tiefer schlechter Laune, denn der hatte nur die Wahl: Mit den Eltern Vulkan gucken nach La Palma, oder zur Oma nach Vilaflor. Die Kunst des Falschparkens scheint Familie auf den Kanaren zu haben. Trotz freier Plätze, sich vor Einfahrten oder genau in die uneinsehbare Kurve zu stellen, ich verstehe es nicht. - Inzwischen steigen die alle aus, in Anorak gepackt, Hüte auf, Schutzbrillen, Masken der Marke Atemgold und Vattern hinterher, der weiß doch immer wo es lang geht. - Man muss von uns aus die Hauptstraße überqueren um nach Tajuya-Kirche zu gelangen und was für uns ein aufmerksamer Vorgang mit dreimal links und dreimal rechts gucken ist, das nehmen die im Sturm und ohne Rücksicht. - Darum die Empfehlung mit der Warnweste und mir tun jetzt schon die Mietwagenverleiher leid, die nach den Feiertagen wieder die Westen neu kaufen müssen, weil die alten einfach alle weg sind. - Man sieht die Kirche in einhundertfünfzig Meter fast gerade aus, aber die Leute gucken weiter aufs Handy, ob sie denn auf dem korrekten Weg sind. - Man könnte sich auch einfach treiben lassen, denn alle scheint es dort hin zu ziehen und eigentlich hatte ich mich schon klammheimlich gefreut, dass es am Krater heute so langweilig war. - Da packt der noch mal sein kleines Schwarzes aus und rußt uns alle ein. - Ich war so froh, meine Frau an meiner Seite zu haben, denn ich neige bei so vielen Menschen, die blind und rücksichtslos auf ein Ziel zurennen, welches gar keines ist, leider zunächst zum Zorn und dann erst zur Flucht. - Meine Frau kann das steuern und auch uns aus dem Tumult heraus und beide haben wir kein einziges Foto gemacht. - Vom Vulkan sowieso nicht, den haben wir, wenn wir uns im Bett umdrehen vor dem Fenster, eigentlich wollten wir die Leute knipsen, welche den Vulkan anbeten, aber irgendwie ist uns das vergangen. - Das sind sicher alles liebe Menschen für sich alleine und natürlich kann man das verstehen, wer will nicht einmal in seinem Leben einen Vulkan sehen. - Aber alle auf einmal zusammen, als Masse, die Umgebung und selbst die, fast schon hermetisch abgeschottete Hauptstraße mit in seine eigene Hoheitszone zu übernehmen, das erinnert mich dann doch eher an einen Flugzeugträger der da sagt: Da wo ich bin, da ist Amerika. - Oder Frankreich oder Russland oder wer auch immer das haben muss. - Aber das ist nur eine kleine Insel mit mehr als zwei Bergen und wenn das alles wieder vorbei ist und wir wieder mehr Angst vor Covid haben als von dem Vulkan, dann können wir immerhin sagen: Wir haben alles er- und überlebt! - Meine Frau hat mich sicher nach Hause gebracht, alles wird wieder gut…
Jeden Tag, El Paso, 3 Kilometer. - Das Epizentrum liegt etwa dort, wo die Spalten aufgebrochen sind und Lava ausschütten
Quelle: IGN
Ein bitzelchen schmaler ist er geworden, Herr Tremor der Unbestechliche
Quelle: IGN
Zeigt auch die Grafik der gemittelten Tremor-Amplitude
Quelle: IGN
Unser Blick in den Süden heute Morgen, zum Vergleich, jetzt noch mal das Bild von gleichen Standort zur gleichen Uhrzeit von gestern:
Die jetzt wieder ziemlich aktuelle Karte des IGME
Quelle: IGME/CSIC
Dienstag 07.12.2021 El Paso 17:30 Uhr
Wie viele Beben sind ein Schwarm?
Alles wird immer weniger
Das Geld, die Tage bis der Vulkan aus ist, die Beben, der Tremor und auch unsere Geduld. - Und dann der Betriebsunfall des Passats, der uns auch noch neue Asche beschert hat und eigentlich wollte ich heute etwas anderes machen, als wieder den Besen in die Hand nehmen. - Aber ich wechsle jetzt die Taktik mit der Asche. - So viel war das noch nicht und ich werde nur unsere Terrassen frei machen und dann zunächst auf die Rückkehr des Passates warten, der für morgen Abend schon wieder angesagt ist. - Der bläst dann dreiviertel des Zeugs in die Luft, zum Nachbarn und weil vom Nachbarn von oben ein bisschen weniger kommt als hier wegfliegt, könnte diese neue Taktik ein bisschen aufgehen. - Auf jeden Fall weht der Passat das Zeug in die Ecken und dann lässt sich das einfacher herausfegen. - Mal sehen ob das so funktioniert wie ich mir das vorstelle. - Der Krater selbst hat den ganzen Tag bis in den Nachmittag hinein eine schwarze Aschewolke ausgespuckt. - Auch die war schon mal größer und dichter, aber dennoch hat uns reichlich Ascher erwischt und auch die Werte in Sachen Feinstaub und SO2 sind wieder deutlich nach oben gegangen. - Kein Wunder, die Asche ist feinster Staub, Feinststaub so zu sagen, und manchmal kommt Wind auf und sogar ein bisschen Calima, also schlagen viele Messinstrumente Alarm. - Es war heute wirklich ein bisschen unangenehm durch El Paso zu laufen, würde man mit diesen Schutzbrillen nicht aussehen wie ein Besucher aus Tenerife, dann würden die Dinger sicher hilfreich sein. - Immerhin habe ich jetzt meinen Impftermin für die 3. Dosis, dazu muss ich auch nicht in die Hauptstadt oder ins Krankenhaus fahren, mit Termin macht das auch das lokale Gesundheitszentrum. - Gegen Vulkane kann man sich nicht impfen lassen, gegen die FDP auch nicht, nicht mal die Regierung eines ziemlich zivilisierten Landes in Mitteleuropa, also müssen wir da durch.
Sehen wir uns die Daten und damit die Fakten an. - Die Beben bleiben in sehr geringer Zahl in der flachen Region, allerdings hatten wir heute Nachmittag mal wieder ein "Vierer". - Das allerdings in 14 Kilometer Tiefe, also gut zu spüren und im Unterschied zu denen, welche aus der Tiefe kommen, hört man diese flacheren Beben vorher nicht. - Aber dennoch es gibt heute wieder 4 Beben zwischen 30 und 41 Kilometer und genau die wollten wir doch nicht mehr haben. - Allerdings wissen wir doch, dass vereinzelte solcher Ereignisse in der Tiefe noch nicht den erneuten Aufstieg von Magma bedeuten, sonder erst, wenn diese in Schwärmen auftreten. - Nun müsste man mal nachgucken, bei Wikivulkano, ab wann man so etwas einen Schwarm nennt. - Ich bin aber sowieso mal die ganzen tiefen Beben der letzten drei Monate durchgegangen und wenn sich wieder Magma-Aufstieg andeutete, dann waren das 15 bis 25 Beben am Tag und diese am Stück und nicht versetzt in Zeit, Epi- und Hypozentrum. - Also gehen wir weiter davon aus, dass kein neues Magma im Moment aus der Tiefe des Raumes nach oben drückt und so bleibt eben das unbekannt große Reservoir zwischen 10 und 15 Kilometer zu leeren. - Die nicht steigende Zahl der flachen Beben, ebenso die stabile Bodendeformation zeigen an, dass kein weiterer Druckanstieg neue Maßnahmen seitens des Vulkans fordert. - Der Tremor wird auch immer schmaler, wenn auch ganz langsam, aber wir scheinen da wirklich in eine ruhigere Phase eingetreten zu sein, welche auf der Zielgeraden enden sollte. - Immer vorausgesetzt, der Barthel hält still, und wie lange das noch dauert, bis wir "oben rum" auch frei melden können, wer weiß. - Endlich gibt es neue Fotos von den Drohnen, welche das Cabildo unter Open-Data-La Palma ins Netz stellt und dort kann man sehr gut die superschnelle Lavazunge finden, welche von der Montaña Cogote aus im Eiltempo nach Westen gezogen ist und dabei viele Häuser vernichtet hat. - Für Las Norias wird es jetzt immer enger, auch wenn da noch einiges steht, aber was man noch Wunder nennen darf und was schon verzweifelte Hoffnung, auch hier kann ich keine Antwort bieten.
Quelle: IGN
Immer wenn ich diese Grafik aufrufe, dann tippe ich nur ganz zart auf "Enter", um bloß den Tremor nicht zu stören...
Quelle: IGN
Das noch glühende Material kommt weiter aus dem Hauptkrater, die neue Zunge ist ein bisschen weiter südlich und fließt jetzt meist in einer verdeckten Röhre
Quelle: Cabildo Insular de La Palma
Es ist wieder so weit, Bruno, der Aschekater gibt wieder Anweisungen, wie der Besen zu führen ist
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