18.11.2021 Tag einundsechzig der Eruption
Donnerstag 18.11.2021 El Paso 06:30 Uhr
Bewegte Nacht
Und positive Aussichten
Gestern habe ich mich schon darauf gefreut, heute zu schreiben: Es sind weniger Beben geworden! - Das ist auch ganz einfach, denn gestern war der absolute Rekordtag in Sachen seismischer Aktivität. - Weiter positiv ist, auch der Tremor ist gestern Abend schon wieder zurück gegangen, bleibt allerdings ein bisschen stärker, als noch vor vier Tagen. - Deformation und Gase wissen wir noch nicht, aber wir gehen einfach mal davon aus, dass sich heute da nichts groß verändert. - Als Optimist vom Dienst will ich das mal so ausdrücken: Die beginnende Tendenz der Trendwende zum komplizierteren Verlauf ist gebremst. - Vorerst. - Ich versuche mal die Meinung dreier Halbweiser in Sachen Geologie in eine Theorie zu packen, wobei ich darauf hinweisen will, dass mein Drittelwissen dabei kein Drittel einnimmt. - Also, die tiefen Beben sind weiterhin Ausgleichsbewegungen dort rund um 35 Kilometer. - Das bedeutet, von dort wird im Moment kein Magma mehr in erheblichen Mengen nach oben gepumpt. - Als Beweis führt man die fehlenden Deformationen Richtung "Up" in allen Stationen an. - Die flacheren Beben sind jetzt die logische Antwort auf das Nachlassen des Druck aufgrund geringerer Magmamengen aus tieferen Regionen. - Auch im Bereich von 10 - 15 Kilometer versucht nun das Gelände unter uns sich wieder in die Ausgangsposition vor der Eruption zu begeben. - Das gelingt nur zum Teil, da bereits viel Magma kristallisiert ist, aber wo Raum und Platz geblieben ist, von der austretenden Magma, da brechen jetzt diese, zuvor meist von Gasen geschaffenen Kavernen, wieder in sich zusammen. - Da aber weiter gewisse Mengen Gase und Magma noch nachströmen, ist das ein Hin und Her der Gesteinsmassen unter unseren Füßen. - Gleichzeitig dringt Wasser ins System ein, da weniger Druck herrscht, als noch vor Wochen und das schafft weitere Beben durch Explosionen, was wiederum den Tremor deutlich anstachelt. - Es geht also dort unten zu, wie bei Feuersteins im Steinbruch und Beweise bleiben eben die fehlenden Bodenerhebungen und der Rückgang der SO2-Ausschüttungen sowie die Stagnation bei den Werten von CO2. - Mehr Beben, aber weniger Gase und Deformation, das passt wohl anders nicht zusammen.
Das hört sich doch richtig gut an und hat bislang noch mehr Kopf als Hand und Fuß, aber es lässt mich gerne über die hohe Fahne an Gasen und pyroklastischem Material hinwegsehen, welche gerade Hauptkrater und manchmal auch Robin in den Nachthimmel feuern. - An Lava scheint die gleiche Menge wie gestern zu fließen, zumindest so unser Eindruck von der Füllfläche rund um den "Verteiler" oberhalb des Industriegebietes. - Erschreckend sieht es um die Siedlungen zwischen den beiden Vulkankegeln La Lagunas und Todoques aus. - Ob unsere Hoffnung nach einem weiteren Wunder nicht zu spät kommt, das wissen wir noch nicht. Auf dem Foto des Cabildo Insular von gestern Nachmittag und der darauf hin entstandenen Karte der IGME kann man aber bereits erkennen, dass die Lava sich nicht an die Vorgaben hält, doch bitte auf dem alten Lavastrom ins Meer zu rauschen. - Wir hatten jetzt viele Tage ohne große Zerstörung an Gebäuden und Wohnraum und uns fast schon überlegt, dem Vulkan auch mal was anderes zuzurufen, als nur Schimpfworte. - Es bleibt aber zu fürchten, dass heute erneut ein Tag mit neuen Infrastrukturschäden wird und noch mehr Menschen auf der Insel ihre Träume und viele auch ihr Lebenswerk verlieren könnten.
So viele Beben wie noch nie
Quelle: IGN
Der Tremor ist allerdings schon wieder in "unsere" Richtung gegangen
Quelle: IGN
Auch die gemittelte Tremor-Amplitude wird wieder sympathischer
Quelle: IGN
Dieses Bild allerdings schreckt uns alle wieder auf, frische Lava bedroht erneut Siedlungsbereich
Quelle: Open Data La Palma
Das ist die Karte der IGME dazu, in roten Farben die neueste Ausdehnung der Lavazungen
Quelle: IGME - CSIC
Donnerstag 18.11.2021 El Paso 17:00 Uhr
Dächer kehren du wirst
Zurück zum Dienst nach Vorschrift
Fast. - Noch sind es mehr Beben als noch vor ein paar Tagen, aber bei weitem nicht mehr so viele wie noch gestern, als uns der stinkende Vulkanopath kräftig durchgeschüttelt hat. - Der Tremor ist wieder in friedlicheren Zonen und auch die gemittelte Tremor-Amplitude lässt fast schon wieder den schrägen Einsatz eines Geodreieck-Surrogates zu. Deformation gleich geblieben, Gasemissionen in Sachen SO2 angestiegen und wieder zart fünfstellig. - Wobei die Daten der Emissionen an Gasen immer einen Tag hinterher hängen. - Also noch nicht alles wieder in Ordnung, aber wir gehen wieder in Richtung Ein- und später Ausklang. - Heute kompliziert sich die Arbeit in Sachen Asche ein bisschen, da es ein paar Niederschläge gab, allerdings gering und ohne möglichen Schaden zu verursachen. - Aber das Fegen wird nun schwieriger, denn die nasse Asche lässt sich nur ganz schlecht mit schwingendem Besen fortschaffen, jetzt muss gekratzt oder geschoben werden. - Man kann auch abwarten, bis das wieder trocknet, aber dann nächste Woche kommen die "echten" Niederschläge für die Westseite. - Das erste Tief ist ja noch abgewehrt worden, das zweite erwischt uns aber nun und es kann ab dem Montag und dann die gesamte Woche lang zu kräftigem Regen auf der Westseite kommen. - Zum Teil kann das ungemütlich werden, sollte es dann auch noch punktuellen Starkregen geben, dann sogar gefährlich. Die Dächer sollte man jetzt ja eigentlich schon im Griff haben, wenn nicht, dann haben Sie am Sonntag richtig was zu tun, und wie mir ein Leser so nett und passend mit auf den Weg gab: Möge die Kraft des Besens mit euch sein! - Blickt man auf die Grafik des besten Wetterdienstes der Welt, dann macht uns das schon Sorgen, wie kräftig da an manchen Tagen der Regen runterkommen kann. - Es liegt noch so viel Asche auf den Straßen und sollte die ins Rutschen kommen, dann wird es zu deutlichen Problemen kommen. - Allerdings dauert es eine Weile, bis man diesen Sand oder Staub zum Rutschen bekommt, da er sehr viel Wasser aufnehmen kann und dann sehr schwer wird. - Dann sind da noch die großen Aschemengen in den Bergen und Hügeln über dem Tal, die zum Teil auf einem rutschigen Bett auf Kiefernnadeln liegen und sollte da die Sachen in Bewegung geraten, dann kann es echte Probleme geben und zu Murenabgängen führen. - Wir müssen aber zugeben, wir haben keine Erfahrung mit solchen Aschemengen und Regen und sind deswegen beunruhigt.
Die Lavazunge "Nummer vier", das ist die zwischen den Hügeln Todoque und La Laguna, hat sich deutlich langsamer bewegt als befürchtet. - Allerdings legt sich dort die frische Lava, nicht so wie wir das gerne hätten, auf den oberflächlich bereits erstarrten alten "Arm", sondern ruckelt langsam aber kontinuierlich südlich davon voran. - Noch ohne großen Schaden angerichtet zu haben, aber da ist noch niemand außer Gefahr und Wunder immer noch möglich. - Überhaupt haben wir das Gefühl, heute sei weniger Lava unterwegs als noch gestern, aber da es keine täglichen Messungen dazu gibt, bleibt es eine subjektive Ansicht. - Am Krater ist wenig los, viel schwarzer Qualm wechselt sich ab mit weniger intensiven Momenten und nach lautstarken Ausgasungen heute Vormittag ist es im Moment fast komplett still. - Bislang konnten wir keine Auswirkungen des Regens auf die frische Lava feststellen, was aber bei der geringen Menge nicht verwundert, da wohl dieser leichte Regen bereits über dem Lavastrom noch verdunsten wird. - Kommende Woche, sollte es Starkregen geben und der auf die frische Lava treffen, dann werden wir sicher auch Reaktionen beobachten können. - Dann war da noch der Tod eines Anwohners in Las Manchas, der beim Aschefegen vom Dach gefallen sein soll. - So zumindest lauteten die meisten Meldungen. - Das war wohl nicht so, der rüstige Siebzigjährige ist wohl eines natürlichen Todes gestorben und nicht als Folge eines Unfalls. - Das sind die jetzigen Nachrichten dazu und ob der gute Mann jetzt noch als Vulkanopfer gelten darf und kann, das muss ich nicht entscheiden. Auf jeden Fall hat die Angelegenheit zu deutlichen Diskussionen geführt, denn der Rentner war mit Erlaubnis in die verbotene Zone gegangen um Asche von den Dächern zu fegen, allerdings bemerkte man sein Ausbleiben erst, als die Familie sich Sorgen machte. - Die dünnmaschige Überwachung in der "heißen Zone" ist also doch nicht so fein gestrickt wie immer behauptet und da wird es kräftig Ausmecker geben, wenn nicht gar ein unwichtiger Kopf zum Rolle gefunden wird. - Erneut gibt uns heute Dr. Klügel wieder was aufs Auge, es folgen zwei Bilder von so genannten "Dünnschliffen".
Hier die beiden angekündigten Fotos von Dünnschliffen zweier Proben der aktuellen Eruption. Ein Dünnschliff ist eine recht dünne Scheibe einer Gesteinsprobe, die auf einen Glasträger geklebt und auf rund 30 Mikrometer Dicke (ungefähre Dicke eines kräftigen menschlichen Haares) geschliffen wird. Die beiden Bilder zeigen jeweils einen Ausschnitt von ca. 2 cm Breite. Sieht doch auch für Laien schick aus, oder? Das sieht man so einem schwarzgrauen Basalt ja nicht gleich an... Einige Minerale zeigen sehr schöne Zonierungen. Wir untersuchen solche Dünnschliffe mit dem Mikroskop und analysieren Minerale u.a. mit speziellen Geräten, um zu verstehen, was in der Tiefe so passiert ist.
Probe LP2021-1: frühe Lava nahe Todoque. Dunkle Grundmasse mit vielen Einsprenglingen: grünlich bis beige = Klinopyroxen, braun = Amphibol, farblos (selten) = Olivin.
Quelle: Dr. Andreas Klügel Universität Bremen
Probe LP2021-2: spätere Lava (Mitte Oktober) aus La Laguna. Dunkle Grundmasse mit vielen Einsprenglingen: grünlich bis beige = Klinopyroxen, farblos = Olivin.
Quelle: Dr. Andreas Klügel Universität Bremen
Deutlich weniger Beben heute
Quelle: IGN
Das geht doch wieder dorthin wo wir ihn haben wollen
Quelle: IGN
Da kommt was auf uns zu, Regenjacken suchen und Schirme bereithalten
Quelle: Wetterzentrale
Der alte Mann und das Dach
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