29.10.2021 Tag einundvierzig der Eruption
Freitag 29.10.2021 El Paso 06:30 Uhr
Mal Krach, mal Ruhe
Manchmal ist ein Vulkan einfach nur ein Vulkan
Lassen wir die Tatsachen mal aus dem Auge. - Tut eh nur weh und jeder weiß, dass Vulkane letztendlich dafür verantwortlich sind, dass Menschen, besonders hier, festen Boden unter den Füßen haben. - Ansonsten sind Vulkane neben Menschen einfach grundsätzlich nur Scheiße und mir nützt jetzt die Todesfrage nach dem, wer zuerst da war, auch nicht wirklich. - Die Zerstörung mag geologisch sogar gerechtfertigt sein, denn sicher, eigentlich haben wir hier gar nichts zu suchen. Aber wenn wir das mal konsequent ausdehnen, dann wird es um die Katastrophentouristen, die uns vom Kreuzfahrtschiff aus fotografieren, ähnlich dünn bestellt. - Die komplette Ablehnung basiert übrigens auf Gegenseitigkeit, wir können genau so gut, oder viel besser ohne den zerstörerischen Kerl und der nimmt von uns sowieso keine Notiz. - Nachdem wir nun die Freundlichkeiten ausgetauscht haben, kümmern wir uns wieder um die wechselhafte Nacht. - Zuerst großes Konzert mit zwei Gasfahnen und ein paar Hundert Meter hohem pyroklastischem Spiel, dann wieder Heulsuse und er scheint aus dem letzten Loch zu pfeifen. - Am ganz frühen Morgen war das wieder so. In einer Lautstärke, welche selbst Maßnahmen wie, Fernseher an, lauter stellen, bis man den Vulkan nicht mehr hört, auch zum Scheitern bringt. - Letztendlich ist es dann ja auch egal, ob einen der Vulkan nicht schlafen lässt, oder das Prekariats-TV mit Entwürdigungsshows der Hartz-Klasse. - Dann wieder scheint er selbst seinen letzten Atemzug tun zu wollen und hält für halbe Minuten komplett den Atem an. - Manchmal sogar so lange, dass wir auch wieder aufstehen, nur um zu gucken, ob der stinkende Widerling denn überhaupt noch lebt. - Das macht er und warum er für jeden speziellen Einschlafstil eine passende Störung findet, so ganz bin ich noch nicht dahinter gestiegen. - Klar, je kleiner der Schlot, aus dem er die aufsteigenden Gase loswerden kann, um so lauter und schriller die Bemühungen, das was raus muss, auch raus zu lassen. - Manchmal scheint auch gar keine Lava dabei zu fließen, man kann das nachts besser sehen als am Tag, wenn plötzlich der Feuerschein der Ablaufrinne weg bleibt. - Heute Morgen dann, also mein Morgen, so kurz nach Fünf, dann läuft die Rinne sogar über, so viel Lava kommt "ihm" dann wieder hoch.
Die fließt weiter Richtung Süden, wie gestern auch schon. - Inzwischen hat es der Krater geschafft, unter dem Gasschlot einen Austritt alleine für Lava freizulegen, was die Arbeit generell und wohl auch die Geräuschkulisse erleichtert. - Robin, und auch Robinillo, die jüngeren Helfer im Südosten, also von unserer Blickrichtung hinter dem Hauptkrater liegend, die arbeiten manchmal mit, manchmal aber auch nicht. - Ob Robin weiter Lava rund um den Krater herum nach Südwesten schickt, das weiß ich nicht. Allerdings scheint die Lavazunge, welche Richtung Cogote zieht und an der Fotovoltaikanlage nördlich vorbeigezogen ist, still zu stehen. - Dafür ist die Front nördlich um den Camino Aniceto wieder offen, die wird allerdings vom Hauptkrater gespeist. Wir können auf einem Panoramafoto von "themustoftheworld" sehen, dass sogar zwei aktive Lavaflüsse auf die Kreuzung LP213 mit dem Abzweig nach Tazacorte zielen. - Wie weit die heute Nacht gekommen sind, das wissen wir jetzt natürlich noch nicht, allerdings können wir Glut in der Richtung wohl erkennen. - An der nördlichen Front, also hier besonders La Laguna scheint weiterhin alles ruhig zu sein. Das "scheint" rührt daher, dass wir tagsüber immer noch Fumarolen von der Lavamasse aufsteigen sehen, welche davon künden, dass noch viel flüssiges Lava dort unter der bereits erstarrt anmutenden Landschaft liegt. - Dreht der Vulkan seine jetzige Tätigkeit Richtung Süd wieder in die gegenüberliegende Richtung, dann bleibt erneut La Laguna das Ziel und weiter die nördlichen Ortsteile Tazacortes. - Jetzt im Moment, kann ich den Vulkan nicht mal mehr hören und springe wieder auf um zu kontrollieren, ob wir denn schon gewonnen haben. Nur um erneut einzugestehen, auch wenn der die Schnauze hält, kann er immer noch spucken. - Das zumindest haben Vulkane uns Menschen also voraus. Wenn Sie mir nicht glauben, versuchen Sie es doch mal!
Keinen schwachen Moment des Vulkans können wir auf der Grafik erkennen
Quelle: IGN
Wie lehrt uns Dr. Andreas Klügel: Erst wenn die rote Linie unten ist und unten bleibt, dann lohnt es sich den Schampus kalt zu stellen
Quelle: IGN
So ganz habe ich die Farbenlehre der "Mineure" vom Amt nie verstanden. - Hier aber soll Rot die neue Lavazunge anzeigen
Quelle: IGME - CSIC
Das Ganze von oben. - I love the world steht drauf, dann noch "themustoftheworld" hat also auf jeden Fall was mit World zu tun und die Panoramafotos sind große Klasse
Quelle: Facebook/themustoftheworld
Manchmal reicht die Ablaufrinne Richtung Südwesten nicht aus. - Dann läuft das Teufelszeug über
Freitag 29.10.2021 El Paso 18:30 Uhr
Den Umständen entsprechend, normal
Touristischer Privatverkehr limitiert bis 1. November
Fangen wir heute mal mit den Daten an. - Ein unverdientes 1:3 ist das Endergebnis, denn unser Tor ist die Wiederherstellung der Werte der Bodendeformation an der Messstation LP03. - Nach dem Motto, besser kann es nur werden, wenn es vorher schlechter war. - Ich war mir nicht sicher, ob man denn diesen kleinen Schritt nach unten überhaupt als "Treffer" zählen kann, aber ein 0:4 wäre dann doch zu hart geworden. - Die Ausschüttungen von SO2 gehen zurück, allerdings die des CO2 steigen an, also kein Punkt für uns. - Genau so wenig wie in Sachen Beben, wobei die Tendenz, weniger Beben in der Tiefe, also rund um 30 Kilometer anhält. - Ein Beben von 4,2 in den letzten 24 Stunden, ansonsten alle unter 4. - Der Tremor und die gemittelte Tremor Amplitude schenken uns auch keinen Punkt, schaut man ganz genau hin, also ohne rosarote Brille, dann zeigt die Grafik des IGN sogar eher einen Anstieg über die Woche. - Nach so viel Tagen Daten und täglichen Pressekonferenzen des Krisenstabes verliert man auch ein bisschen die Virtuosität im verlesen der Kerndaten. - Meist ist es ja María José Blanco, Direktorin des IGN auf den Kanaren, welche diese Daten rüberbringen muss und das macht die professionell, aber ohne schauspielerisches Moment. - Man merkt schon, dass das nicht ihr Ding ist, sich vor die Presse zu stellen. - Das versteht Miguel Ángel Morcuende deutlich besser, der technische Direktor für Umwelt und Notfälle der Inselregierung. - Meist ist der auch der Chef des Krisenstabes und sein, fast täglicher Auftritt wird eben auch begleitet von der Aussage, alles normal! - Darüber macht man hier schon Späße, meist bitterböse, oft sarkastisch mit deutlicher Tendenz zum Zynismus. - Dein Haus wird von Lava verschluckt: Normal! - Deine Firma verschwindet unter flüssigem Gestein: Normal! - Die Infrastruktur im Aridanetal hört auf zu existieren: Normal! - Dabei hat der gute Mann sogar meist recht. Bei einem Vulkanausbruch in dicht besiedeltem Gebiet ist es durchaus normal, dass das passiert, was hier vor sich geht. Allerdings ist es natürlich für den Betroffenen, oder Betrachter aus dem Inneren der Katastrophe, nicht gerade zuträglich, wenn man diesen Zustand als normal bezeichnet. - Da fehlen ihm und uns oft die Worte und wenn man eben Dinge tausend Mal immer wieder erklären muss, dann werden schlicht die Worte irgendwann knapp.
Der Vulkan quält uns heute so wie gestern. - Die einen, mit weiterem Lavaerguss in eine bislang noch nicht zerstörte Region, nördlich Camino Aniceto, runter zur LP213 um dabei die Siedlung Las Norias zu bedrohen. - Den Rest des Aridanetals brüllt er heute wieder mit unrhythmischen Atemübungen zu. - Wie gestern, kurze Ruhe, ein bis drei Sekunden, dann faucht er wieder aus dem "letzten oder wahrscheinlich einzigen Loch" seinen schwefeligen Odem in den Himmel. - So eng scheint der einzige jetzt genutzte Schlot zu sein, dass es manchmal sogar knallt, wenn die Gase mit, vielleicht sogar Überschallgeschwindigkeit aus dem Krater zischen. - Lava tritt trotzdem weiter aus, etwas tiefer liegt diese Austrittsstelle und der Kanal hat sich nicht verändert, zieht sich weiterhin von Nord nach Süd an der Westflanke des Hauptkraters hinab. - Ob Robin und Robinillo weiter mit vom Konzert sind, das kann ich jetzt überhaupt nicht mehr erkennen, alles rund um den Krater liegt in dichten, schwarzen Qualmwolken. - Im Norden, also Cruz Chica und La Laguna ist es weiterhin ruhig und obwohl wir weiterhin Fumarolen aus der Lavazungen aufsteigen sehen, haben wir schon das Gefühl, dass es weniger dieser Hitzeanzeiger gibt, als noch vor ein paar Tagen. - Wir haben wieder "Puente", also Brückentage wegen des Feiertages Allerheiligen und da erwarten wir deutlich mehr Besucher von den anderen Inseln als in den vergangenen Jahren. - Nicht, dass die nun alle die Friedhöfe der Insel besuchen wollen, sondern es geht um das Spektakel Vulkan. - Man rechnet mit bis zu 10.000 Besuchern, welche sich von dem morbiden Feuerwerk mitreißen lassen wollen. - Ich kann das zum Teil verstehen, wer bekommt als Normalbürger schon einen Vulkanausbruch mit, der auch noch deftig Dinge zerschmeißt. - Das will oder muss man gesehen haben, aber so ganz loslassen aus der Verantwortung und dem Vergleich mit den Zuschauern von Unfällen auf der Autobahn, will ich das auch nicht lassen. Vergessen wir bei aller Show, welche der Vulkan da abzieht, die Tausende von Menschen, deren Häuser, Einkommen, Auskommen, Träume und Lebenswerke vom Vulkan zerstört wurden. So sind diese Katastrophentouristen auch nicht wirklich gerne gesehen hier. - Darüber hinaus ist es einfach auch eine Frage der Abwägung der Gefahren. - Sollten erneut Evakuierungen anstehen, weil plötzlich wieder mal ein Stück vom Kratergipfel abgesprengt wird und das Zeug schnell in eine ungewohnte Richtung fließt, dann hat man auch noch die vielen Leute auf der Backe und der Straße, welche Vulkan gucken wollen. - Dagegen spricht man nun ein touristisches Privatverkehrsverbot rund um die "heiße Zone" aus und die beginnt bereits oberhalb El Pasos. - Man will wirklich kontrollieren und eigentlich hat man auch genügend Polizisten hier auf der Insel aber wie scharf das gehandhabt wird, das wissen wir natürlich nicht. - Die Inselregierung hat aber auch reagiert und man wird ab dem alten Flughafen Shuttlebusse einsetzen, welche die interessierten Amateurvulkanologen bis zur Kirche nach Tajuya fährt. - Von dort aus hat man allerbesten Blick auf das Monster und kann dann seine Kussmundselfies für mehr, oder weniger soziale Medien machen. - Alle 20 Minuten fährt ein Bus vom alten Flughafen auf der Ostseite und wieder aus Tajuya zurück.- Alle "Hiesigen" dürfen natürlich weiter im Tal fahren, aber es wäre nicht verkehrt, irgendein Dokument bei sich zu führen welches beweist, dass man Anwohner ist. - Eine Stromrechnung mit Namen und Adresse reicht da auch schon aus.
Es sind zwar mehr oder genau so viele Beben wie noch vor ein paar Tagen, aber die seismischen Bewegungen in der Tiefe ab 30 Kilomter werden seltener
Quelle: IGN
Das gibt keinen Punkt für uns
Quelle: IGN
Das ist unser Anschlusstreffer
Quelle: IGN
Wer da alles gucken kommt...
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