09.10.2021 Tag einundzwanzig der Eruption
Samstag 09.10.2021 El Paso 07:00 Uhr
Möbelrücken bei Olafs unterm Sofa
Lava fließt jetzt wieder weiter nördlich ab
Das Leben ist kein Ikea. - Gestern Abend war ich auf meiner ersten Vulkanparty. - Meine Nachbarn haben dazu eingeladen, einfach mal so, weil das Leben weitergeht. - Sonst haben wir in unserer kleinen Nachbarschaft, 8 Häuser, vielleicht 35 Bewohner immer ein Kreuzfest im Mai. - Das ist allerdings seit nunmehr zwei Jahren ausgefallen und irgendwie hat es den harten Kern der Jungs gejuckt, einfach mal was Progressives zu tun. - Zwanglos, Chips, Oliven, Sardinen, Pan con Chorizo (palmerische Chorizo, die fette Streichwurst, die fast süß schmeckt) und natürlich alter Wein und frisch gemixter Mojito. - Ich Spielverderber hatte natürlich wieder mein alkoholfreies Bier mitgebracht, aber man ist gelassen geworden und zwingt niemanden mehr dazu, den alten Wein endlich aufzutrinken. - 20 Leute waren das etwa, fast schon ausgelassen und trotzig gegenüber dem Vulkan, der sich gerade in den Stunden wieder angriffslustig darstellte. - So erschütternd der Vulkan, so unerschütterlich der Gleichmut der Leute, welche sich nicht die Frage stellen können: Gehe ich, oder bleibe ich. - Dann habe ich mir die Frage gestellt, ob ich mir eigentlich diese Frage stelle und immer wenn ich mir zu viele Fragen stelle, dann endet das fragwürdig. Natürlich nicht, keine Frage, sondern anstecken lassen von der gradlinigen Weise, wie man sich diesen Dingen eben zu stellen hat. - Nicht weichen, vielleicht mal beugen, bevor man bricht, aber weiter und nach Pandemie, Feuer und Vulkan, was soll uns eigentlich noch passieren? - Hätte ich nicht sagen sollen gestern Abend nach meinem zweiten "Sin", denn es fehlt in der Vierfaltigkeit des Schreckens noch das Wasser. - Wenn das in ein paar Wochen heftig anfängt zu regnen, dann kommt der ganze Kram runter. - Mit Kram meint man die Millionen Tonnen an Asche und Lapilli, welche an den Hügeln der Westseite darauf warten, ins Rutschen zu gelangen. - Nicht, dass ich das nicht wüsste, aber gestern Abend wollte ich es eigentlich nicht hören.
Gestern Abend war der Vulkankegel auch noch ordentlich und aufgeräumt. - Vier Gasfahnen konnte ich ausmachen und zwei Schlote, aus denen überwiegend Lava strömte. - Wobei immer wieder minutenlange Phasen dazwischen waren, als Gase sich unter die Lava mischten und große Mengen pyroklastisches Material hoch schleuderten. - Und laut war Olaf wieder, fast die ganze Nacht lang. - Heute Morgen bot sich ein komplett anderes Bild: Eine sichtbare Gasfontäne, alles viel ruhiger, aber ein deutlich nach Norden verrutschter Lavastrom, der aus einem Schlot hinter der ersten Kraterkante stammen muss. - Da wurden also nachts noch Möbel gerückt, der Krater hat wieder ein komplett neues Funktionssystem und gleich wieder kommt die Angst auf, die nördlichste der Lavazungen könnte jetzt wieder vermehrt mit Lava versorgt werden und Richtung La Laguna ausbrechen. - Eine Drohne flog auch schon um die Uhrzeit, 05:30 Uhr, da ist wohl die UME bereits filmen, um Bilder der neuen Lage zu machen. Keine Änderungen in den Daten. Deformation gleichbleibend, Beben weiterhin große Zahl und erneut eines mit 4,1 und wieder in großer Tiefe im Süden, in 39 Kilometer gemessen. - Kein flacher werden der Hypozentren, es scheint so, als käme weiterhin so viel "raus wie rein". - Der Wind dreht gerade, soll spätestens ab Mittag die Wunschrichtung Nordost erreichen, aber momentan wissen wir noch nicht genau, woher es die kommenden Stunden bläst. - Da es immer Asche regnet wenn ich schreibe, es hat heute keine Asche geregnet, schreibe ich heute nicht, es hätte keine Asche geregnet. - Es war wirklich "Sin", ich bin manchmal so. - Neue Luftmessstationen hat das Cabildo installieren lassen, die kann man auf der Seite des Cabildo auch anwählen und nachgucken, was denn los ist in Sachen Dicker Luft. - Dabei fällt mir gerade auf, in Puntagorda und Tijarafe ist der Wert beim Schwefeldioxid viel höher als im Tal?
Die Beben unter La Palma seit dem 11.9.2021. - Leider überlagern die roten Punkte der neuesten Beben im Süden viele dunkelblauen und man kann nicht mehr wirklich erkennen, dass der letzte Schwarm, der endlich zur Eruption führte, auch mit Beben weiter im Süden begann.
Teil der Ausbeute dieser Nacht
Der neue Lavastrom, der weiter nördlich austritt wird wohl den Fluss nähren, welcher erst vor ein paar Tagen die nördlichen Teile Alcalás und Paraísos
beahrkt hat. - Ob daraus wieder Gefahr für La Laguna entsteht, das weiß man noch nicht
Samstag 09.10.2021 El Paso 08:00 Uhr
Nachtrag, zweiter Schlot auf der Nordseite transportiert Lava
Ein zweiter Schlot transportiert nun ebenso Lava auf der Nordseite in großen Mengen. - Wir wissen nicht, ob sich das in den bereits vorhandenen Lavafluss eingliedert oder einen neuen Weg bahnt. - Vorsicht im Industriegebiet, Callejón de la Gata, Camino Cumplido, La Laguna!
Samstag 09.10.2021 El Paso 18:00 Uhr
Die Zerstörung geht weiter
Der neue Lavastrom zielt auf den Callejón de la Gata
Es ist viel passiert heute. - Kaum was Gutes dabei, vielleicht die ersten Passatwolken über der Cumbre Nueva, um auch diesen Bergrücken mal wieder zu erwähnen und nicht immer nur die Cumbre Vieja. - Am Flughafen sind heute ein paar Maschinen der Binter Canarias gelandet, allerdings haben die großen Charter und auch die Vueling weiter ihre Flüge suspendiert. - Ob der Nordostwind jetzt ein paar Tage hält, ich fürchte eher nicht, aber bis Montag zumindest sollte unser Lieblingswind schon bleiben. - Vielleicht wird er ja auch noch ein bisschen kräftiger und hilft uns etwas beim Dach-Putzen, da eben nur Sand und Staub gefallen sind die letzten Tage und keine Lapilli mehr.
Die Aktivität und besonders die Lautstärke am Krater selbst haben heute deutlich zugenommen. - Ein paar dumpfe Explosionen scheinen aus dem Inneren gekommen zu sein. - Die starken Geräusche deuten darauf hin, dass die Gase nicht schnell und frei genug austreten können. - Entweder hat die Intensität der Einleitung der Gase erhöht, oder aber nach dem teilweisen Einsturz der Kraterspitze heute Nacht hat sich der Hauptschlot verengt oder ist verschüttet. - Er rumpelt und schüttelt sich, um wieder frei zu werden. - Weniger Probleme hat der Schlot mit der Lava. - Der Erguss, welcher am weitesten im Norden über die Nordflanke des Kraters abgegangen ist, Foto von heute Morgen, ist nicht mehr vorhanden. - Allerdings eine weiterer Lavastrom, nicht mehr so weit nördlich, noch intakt. Das hat deutlich ausgereicht, eine erneute Schneise der Zerstörung durch noch unversehrte Gebiete in Alcalá, El Frontón, Paraíso und nun den südlichen Rand des Industriegebietes zu erreichen. - Dort hält sich der Lavastrom noch an die doppelt durchgezogene Linie und ist bislang noch nicht in den nördlichen Teil, also das echte Industriegebiet vorgedrungen. - Das war der Stand der Drohnenflüge gegen 15:00. - Auf der südlichen Seite allerdings ist Manolos Kieswerk jetzt komplett mit Basalt gefüllt und in der weiteren Falllinie liegt der untere Teil des Callejón de la Gata mit weiteren 40-50 Wohnhäusern. - Im noch weiteren Verlauf wäre das Ziel dann der nördliche Teil Todoques um dann, sollte der Lavanachschub reichen, nördlich an der Montaña Todoque vorbei ins Meer zu ziehen.
Camino Cumplido bleibt momentan noch außerhalb der Zielrichtung, alles hängt aber davon ab, ob sich der neue Strom in den alten eingliedert, oberhalb des Callejón de la Gata oder der Nachschub für den neuesten Strom stärker wird. - Der Tremor, aufgemalt vom IGN spiegelt die laute Musik dort oben am Krater nicht wieder, aber man kann die extrem vielen Beben erkennen, welche weiterhin südlich des jetzigen Eruptionsortes den Untergrund der Insel erschüttern. - Alle 6 - 8 Minuten ein Beben zwischen 2 und 3,5 allesamt 10 - 13 Kilometer, mit der Ausnahme, dass täglich 1 - 3 mächtige Beben auch in fast 40 Kilometer Tiefe angezeigt werden. - Deformation ein ganz klein bisschen an der Messstation LP03 angestiegen. Was die Luftqualität angeht, in der Tat, die Werte im Tal waren heute besser als in Puntagorda. - Wie das sein kann? - Der Wind aus Nordost weht über die Cumbre Nueva und geht als Fallwind dann hinab aufs Meer. - Dabei entsteht in den mittleren Luftschichten, je nach Tageszeit und Temperatur unterschiedlich hoch, eine Gegenströmung, welche dann aus Südwest zurück auf die Insel bläst und den Norden der Insel mit einem Gruß aus dem Tal beglückt. - Abends kommt dann noch ein weiterer Effekt hinzu, der fast immer ein bisschen auflandigen Wind mit sich bringt und das kommt dann ungefiltert im Nordwesten der Insel an und dort, wo es entstanden ist, wehen die Fallwinde das einfach hinaus aufs Meer. - Apropos Meer, der neue Lavastrom, welcher über die Klippe südlich des bereits bekannten Stroms auf den Atlantik zielt, ist noch nicht im Meer angekommen. - Vielleicht fehlt dem jetzt der Nachschub, welcher im Nordteil der Ströme jetzt für Zerstörung sorgt.
Heute die schnellsten, OpenStreetMap
In der Anzeige des Tremors spiegelt sich nicht der Lärm am Krater rund um die Ausgasung wider
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