29.09.2021 Tag elf der Eruption
Mittwoch 29.09.2021 El Paso 07:30 Uhr
Der Adler ist gestrandet
Lava-Autobahn ins Meer
Die letzten paar Hundert Meter ging es dann schnell. - Im Süden vorbei an der Montaña Todoque durch die Bananenplantagen und dann knapp nördlich der Playa Nueva ergießt sich jetzt der erste Lavastrom ins Meer. - Für ein paar Minuten nach 23:00 Uhr wird dieses Ereignis angegeben. - Nahe Beobachter gehen auch davon aus, dass sich die Lava ebenso den nördlichen Weg um die Montaña Todoque noch erkämpfen wird. - Ansonsten könnte man, in dieser Zeit der wenigen guten Nachrichten, das Erreichen der Lava als positiv benennen. - Wir hoffen nun, dass sich eine "Lava-Autobahn" bildet, welche auf schnellstem Weg die frische und heiße Lava über den bereits vorhandenen Strom ins Meer leitet. - So könnte verhindert werden, dass sich die, weiterhin in schier unfassbaren Mengen ausgestoßene Lava, neue Wege nach Westen, also hinab sucht. Nördlich und südlich des jetzigen Stroms könnte man dann viel ruhiger die kommenden Tage angehen. Von unserem Standort aus kann man auch ein glühendes Band vom Krater bis hinab an die Abbruchkante erkennen, die Hoffnung scheint also berechtigt zu sein, ohne zu wissen, ob das wirklich so funktioniert.
Ein neuer Verbündeter hat sich eingemischt, die "Brisa". - Wir haben ja gestern bereits erwartet, dass der Wind auf Nordost drehen würde, zumindest in den unteren Luftschichten. - Scharfe Fallwinde im Tal blasen nun die Gase und Dämpfe des Vulkans und seiner "Lava-Autobahn" hinaus aufs Meer und erleichtern so den oberen Regionen des Tals das Atmen sehr. - Das war gestern in der frühen Nacht noch beklemmend unangenehm. Das roch und schmeckte mindestens ungesund und erst als der scharfe Wind anfing, das Zeug zu verteilen, wagten wir uns wieder auf die Terrasse. - Der verständliche Nachteil dieses Windes ist, man wird regelrecht sandgestrahlt im Moment hier rund um El Paso. - Der feine Vulkansand, den wir alle "Ceniza", also Asche nennen, der fliegt nun von den Dächern und Pflanzen, wird von den Straßen aufgewirbelt und kriecht unter Türen und Fenster in jedes Haus. - Wir sind froh, dass wir die Dächer zumindest schon dreiviertelwegs freigemacht haben, so dass die Menge an aufgewirbeltem Lavasand bei uns nicht ganz so groß ist. - Draußen ist ein Einsatz von Besen im Moment schlicht Unsinn, aber wir haben jetzt hinter jeder Eingangstür ein solches "Kehrelement" stehen, welches nach jedem Türöffnen sofort in Gebrauch kommt.
Der Krater spuckt weiterhin aus dem hoch aufragenden Schlot Gase und glühendes Material und zumindest aus der unteren, nördlichen Öffnung Unmengen an Lava. - Der Tremor spiegelt die Schlafmöglichkeit der Leute im Aridanetal wieder, wer darauf steht, der kann bei einer andauernden Startsituation eines Kampfflugzeugs wunderbar ruhen. - Mir kam zugute, dass ich die Geräusche des scharfen Nordostpassats bereits im Limbischen System verankert habe. Das Klappern der Dachziegel und das Herumfliegen von losen Blumentöpfen sind also heimatliche Klänge und konnten, zumindest in der zweiten Nachthälfte, mich etwas in Schlaf versetzen. - Die große Frage im Moment zeigt sich beim täglichen Blick auf das Seismogramm des IGN. - Weiterhin rumort es deutlich unter dem südlichen Teil der Cumbre Vieja und erinnert uns so an den Beginn der vulkanischen Krise am 13.9.2021. - Es gibt mehrere Theorien, wie das einzuschätzen ist. - Einige sprechen von einem stattfindenden Druckausgleich, andere von nachrückender "Munition" für den Vulkan am augenblicklichen Standort und wieder andere befürchten sogar eine weitere Eruption, nun allerdings weiter im Süden. - Leider ist es ja nicht so, dass man sich davon was aussuchen könnte.
Nun ist ja mit dem Überqueren des Lavastroms der Küstenstraße zwischen Tazacorte und Las Norias der Zugang vom Aridanetal hinunter an die Küste verwehrt. - Lediglich über den Süden der Insel kann man jetzt noch nach El Remo, Puerto Naos und La Bombilla gelangen. Das Cabildo Insular hat nun eine Verkehrswegereglung aufgestellt, wo und wie man vom Süden aus, also über Fuencaliente und Jedey/San Nicolás, fahren kann. - Das ist auch wichtig für die Versorgung und den Abtransport aus den vielen Bananenplantagen der Region. - Ich hänge die bereitgestellte Grafik mal an. - Es geht also runter in Einbahnrichtung aus San Nicolás bis Las Manchas de Abajo. - Dann weiter über einen kleinen, aber asphaltierten Versorgungsweg zum Tennisclub und dort gelangt man dann wieder auf die Zufahrt nach Puerto Naos. - Zurück nach Fuencaliente geht es dann wieder die Hauptstraße hinauf, vorbei am Tennisplatz bis Las Norias. Von dort den Camino La Majada hinauf und dann wieder Richtung Süden. - Wer dort keinen Bananen hat, oder sonst was zu suchen, der versucht das bitte erst gar nicht, dort hin zu gelangen. - Wenn es wirklich sein muss, dass man sich dem Fotojournalismus hingeben will, dann kann man von Puerto de Tazacorte aus Fotos machen von der Lava, welche sich nun ins Meer ergießt.
Auf diese Weise, und nur so, gelangt man jetzt vom Aridanetal nach Puerto Naos. - Die Wege werden eine Weile noch etwas länger bleiben
Weiter spürbare Beben unter der sündlichen Cumbre Vieja, deren Folgen wir nicht schlüssig einschätzen können
Der Tremor bleibt recht stabil auf niedigem Niveau, es gab so gut wie keine Explosionen mehr. - Die Beben im Süden sind auch zu erkennen
Gestern gegen Mittag, man kann sehr gut links den Schlot für Gas und pyroklastisches Material erkennen, rechts unterhalb davon liefert der Vulkan die Lava aus
So sieht das dann nachts aus
Die einzig echte "Lucha Canaria" Passat gegen Vulkan
Mittwoch 29.09.2021 El Paso 18:30 Uhr
La Palma wird größer
San Borondón ist nicht mehr weit
Das Leben ist kein Kinderreim. - Die Lavaautobahn funktioniert nicht hundertprozentig. - Auf dem Weg ins Meer legt sich der frische und deutlich schneller Lavastrom nicht gänzlich auf das alte Bett, wie wir das gehofft hatten. Es hat sich vielfach auch bereits derart viel erkaltete Lava gesammelt, dass der Weg über die Außenränder des vorhandenen Stroms nun der Weg der geringeren Widerstände ist. - Wer also sein Anwesen südlich und nördlich der vorhandenen Lavazunge hat, der ist noch nicht außen vor. - Hängt natürlich auch davon ab, wie lange der, immer noch Unaussprechliche, mit Lava um sich schmeißt. - Von unserem Standort sieht es so aus, dass besonders der nördliche Rand des Stroms etwas breiter geworden ist. - Wir warten auf neue Drohnenaufnahmen oder Karten von "Copernicus", aber die sind im Moment ziemlich hinterher. An der Montaña Todoque können wir am Qualm erkennen, dass nun der Lavastrom versucht, auch nördlich vorbei zu kommen, was ihm auch irgendwann gelingen wird, wenn der südliche Strom sich weit genug gehoben hat, um ein Gefälle nach Norden zu ermöglichen.
Unten am Meer hat sich bereits eine enorme Landzunge gebildet. - Einmal ist es dort an der Küste die ersten paar Hundert Meter nicht besonders tief, darüber hinaus laufen gewaltige Mengen Lava ins Meer. - Die bereits geschaffene Plattform wird sich aber nicht viel weiter westlich in den Atlantik hinaus schieben können, da dort bald der Meeresboden tief absinkt. - Aber mit dem möglichen Nachschub aus dem Norden könnte sich dennoch eine erhebliche Flächenvergrößerung der Insel ergeben und ein komplett neues Küstenprofil im Westen. - Die Schmuckindustrie wird fluchen, muss man doch nun die ganzen Gussformen neu gestalten lassen… - Wir werden natürlich abwarten müssen, wie viel der Vulkan tatsächlich dort aufschütten kann, sollte uns das, wie in der Überschrift unseriös bemerkt, San Borondón näher bringen, dann müsste der Unaussprechliche noch jahrelang spucken. - Das wollen wir aber nicht, ganz und gar nicht und selbst diejenigen, welche nicht Haus, Arbeit und Existenz verloren haben und hier im Aridanetal wohnen, die gehen am zehnten Tag inzwischen am Stock.
Die Frage, wie das weitergehen kann, die darf wohl gestellt werden, wobei man keine belastbare Antwort erwarten sollte. - Der Vulkan selbst war heute im Laufe des Tages wieder unruhiger und lauter, wobei sich die prinzipielle Wucht der Aktivität seit dem kurzen "Powernap" am 27.9. nicht erkennbar geändert hat. - Am älteren Schlot, der höchsten Erhebung, steigen weiterhin pyroklastische Partikel von lautstarken Gasexplosionen getrieben in den Himmel. - Das wird begleitet von schwarzem Qualm, auch wenn diese Ausschüttung etwas geringer anmutet, als noch vor der halbtätigen Pause. - Weiter unten erkennen wir den massenhaften Auswurf von extrem heißer und flüssiger Lava, der in der Masse eher zuzunehmen scheint, als anders herum. - Von dort steigt eher wenig und grauweißer Rauch auf. - Beunruhigend ist weiterhin die Existenz von Beben weiter im Süden der Insel. - Die Magnituden zwischen 2,1 bis 3,2 und in Tiefen von an die 10 Kilometer ist also weiterhin Magma unterwegs. - Es besteht so auch weiterhin die Gefahr von neuen Eruptionen an anderen Stellen, wobei der jetzige Krater der nachfließenden Lava doch eigentlich als Ventil ausreichen sollte. - Allerdings zeigt sich bei der Bodendeformation an einer Messstelle erneut ein kleiner Anstieg. Daraus eine schlüssige Perspektive zu basteln bleibt unseriös, man kann nur diverse Thesen aufstellen und diese durch weitere Messungen und Abwarten erhärten oder abwinken.
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Der Tremor bleibt auf mittlerer Stufe, netterweise ohne erschreckende Explosionen heute
Heute sorgt der scharfe Nordostpassat dafür, dass die Rauchsäule keine Chance hat, weit aufzusteigen
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