03.10.2021 Tag vierzehn der Eruption
Sonntag 03.10.2021 El Paso 08:00 Uhr
Jeden Tag ein anderes Gesicht
2 Wochen Vulkan machen einen mürbe
Inzwischen scheinen es drei Öffnungen an der Spitze des primären Kegel zu sein, welche als Ventil für das viele Material vermischt mit den Gasen austritt. - Der obere Teil des ursprünglichen Kraters hat sich etwas abgeflacht und damit verbreitert. - Unterhalb liegt die Hauptöffnung für die Lava und diese scheint sich jetzt in zwei Richtungen ins Tal zu ergießen. Ein Strom läuft etwas nördlicher und der andere, südliche, scheint den ursprünglichen Weg Richtung Atlantik zu nehmen. Weiter äugt man besorgt auf die nördlichste der Lavazungen, welche immer noch eine Bedrohung des Industriegebiets Los Llanos´ und im weiteren Verlauf auch La Lagunas darstellen kann. Die vielen Explosionen seit gestern Nachmittag haben gegen späten Abend nachgelassen und sind jetzt ganz verschwunden. Dafür "atmet" das Monster wieder, allerdings unrhythmisch und es gelingt mir nicht, da irgendwie mitzuzählen, wie lange das Ding denn den Atmen anhält, bevor es wieder donnert. - Inzwischen habe ich durch einen aufmerksamen Leser einen neuen Tipp bekommen, es gibt noch schnellere Kartenzeichner als Enrique und die fleißigen Hände der OpenStreetMap. - Die Mitarbeiter vom Instituto Geológico y Minero de España (IGME) zeigen uns zusammen mit den Spezialisten vom Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC) wie Aktualität in Sachen Karten wirklich funktionieren kann. - OK, die sind mit vielen Leuten vor Ort und kommen an sämtliche Drohnenvideos ran, welche diverse Institutionen durchführen. - Dafür einen klaren Chapeau, jetzt brauchen wir nur noch jemanden, der uns die Dinge voraussagt…
Bis auf die ständige Remodellierung des Hauptkraters finden wir bei den weiteren Beobachtungen kaum Veränderungen. - Die starken seismischen Signale unter der Cumbre Vieja halten an, verdichten sich sogar noch, nach kurzer Betrachtung. - Allerdings steigen die Hypozentren nicht an, was die Erklärung nährt, dass der Weg über den Vulkan hinter der Cabeza de Vaca weiterhin für das Magma frei ist und auch genutzt wird. - In Mazo wird man allerdings auch schon langsam unruhig, nachdem sich viele der Epizentren der Beben in deren Gemeindegebiet gezeigt haben. - Einige zeigen jetzt mit spitzen Fingern auf den Nambroque, eine der Landmarken auf der Vulkanroute, und sollte tatsächlich dort oben eine weitere Eruption stattfinden, dann könnten sowohl West- als auch Ostseite betroffen sein. - So weit sind wir aber noch nicht, bislang scheint das Ventil hier bei uns oberhalb der Montaña Rajada zu funktionieren und wer gerne Vergleiche hat, der Dampfkochtopf mit seinem Sicherheitsventil könnte hier herhalten. Im Moment gibt es wieder dicke Luft bei uns hier in Tajuya, allerdings meldet die als "Portatil El Paso" also tragbare Station in El Paso gemeldete Einheit lediglich zwischen 10 und 22 Mikrogramm SO2 pro Kubikmeter. - Gestern wurden wir bei ähnlichen Werte in Hausarrest geschickt, mal sehen, ob am Sonntag auch jemand in der Lage ist solche Entscheidungen zu treffen. - Das Wetter sollte jetzt bereits eigentlich sehr viel besser sein, mit Wind aus Nordosten, aber ist Ihnen auch schon mal aufgefallen, dass meine Wettervorhersagen immer schlechter werden?
Drei Fahnen oben und der untere lavaspeiende Mund spricht jetzt mit gespaltener Zunge
Die Basisdaten stammen wohl auch wieder von Copernicus, allerdings feilen die "Mineure" aktueller und genauer an dem angelaufenen Datenmaterial
Mit den Werten würde man in Berlin den Luftkurort ausrufen, allerdings weiß ich nicht, wer diese tragbare Station in seiner Tasche mit sich herumschleppt, denn im Tal ist es stickig und riecht nach faulen Eiern.
Am Puls des Vulkans
Sonntag 03.10.2021 El Paso 17:30 Uhr
Happy Birthday Cabrón
2 Wochen und kein bisschen leise
Das Leben ist kein Kindergeburtstag. - Wisst ihr noch, damals, als der Vulkan ausbrach? - Ich werde es nie vergessen, ich stand neben meiner Frau auf der Terrasse, die gerade mit jemandem telefonierte, der ebenso die erste, braune Staubsäule gesehen hat, welche hinter dem Cabeza de Vaca aus dem Boden schoss. - Bis Lava kam, dauerte es noch fast eine halbe Stunde. - Sicher wird das in der Rückschau irgendwann glorifiziert und natürlich ist es besser, dem Vulkan einen positiven Namen zu geben, denn es muss und wird weitergehen und das Ding irgendwann zum Geschäft. - Auf dem Weg dorthin kämpfen wir weiter um Alltag und alltägliches. Ich muss allerdings einigen Autoritäten widersprechen wenn die meinen, es seien ja lediglich 8 Prozent der Inselbevölkerung betroffen, die anderen führten ein normales Leben. - Das kommt von Chef des Krisenstabes und vielleicht ist es ja seine Aufgabe, solche verqueren Dinge zu erzählen. - Auch muss ich ungern aber deutlich unserem Tourismusrat Raul Camacho widersprechen, der weiterhin einlädt auch jetzt nach La Palma zu kommen, denn der Osten und der Norden der Insel seien ja nicht betroffen. - Auch da könnte man sagen, das ist sein Job, aber beide liegen ziemlich daneben. - Sicher ist es für die im Aridanetal eine ganz andere Geschichte, als für die im Norden oder im Osten, aber auch dort sind die Leute betroffen, geknickt, verängstigt und nervös und so gar nicht darauf bedacht, nun Inselgäste umschmeicheln zu können. - Darüber hinaus muss man auch die Rechenfähigkeiten der Leute ein bisschen hinterfragen, denn im Aridanetal wohnen an die 36.000 Menschen und wie das acht Prozent von 83.000 sein sollen, das bleibt mir verschlossen. - Aber die allermeisten anderen funktionieren und bei uns war das ja immer so, je weiter runter man in der Wichtigkeitsskala kommt, um so weniger riecht es und um so besser laufen die Dinge. - Vielleicht so wie überall und ich erinnere mich noch an diesen ersten Genre-Film, der Weiße Hai, als es um die Frage ging: Geht Geschäft vor Sicherheit? - Seit dem hat sich übrigens nicht viel geändert, immer wieder erschlagen uns die gleichen Fragen dabei und immer wieder tauchen Brodys und Vaugnhs auf und tun doch nur ihren Job.
Meinen habe ich auch getan heute, schmutzig, staubig und schwitzend und noch bin ich nicht fertig, die Wege, Dächer, Terrassen und Ecken rund um unsere Häuschen von der Vulkanasche zu befreien. - Das dritte Mal übrigens. - Mittag war wieder ganz dicke Luft, der Calima sorgte noch dazu für mächtige Inversion und nichts von dem stinkenden Qualm des giftelnden Kameraden konnte abziehen. - Jetzt ist es ein bisschen besser, man kann sogar das Meer wieder ahnen und hier fragen wir uns jetzt, können wir das neue Delta sogar von uns aus irgendwann sehen? - Der Vulkan selbst hat den Tag über keine weiteren Änderungen vollzogen, er stampft weiterhin griesgrämig eine unrhythmische Kakofonie vor sich hin. - Aber kaum noch Explosionen, eher ein klagendes Auf und Ab der Lautstärken. - Ob sich was am Kraterrand getan hat, das können wir durch den, immer noch dichten Qualm, nicht wirklich erkennen. - Die neue Lavazunge am nördlichen Rand schmiegt sich zwar inzwischen gut dem alten Lavastrom an, aber die Gefahr für das Industriegebiet und La Laguna sind noch nicht gebannt, da wir nicht wissen, ob der alte Strom die neue Lavamassen des nördlichen Ausrutschers komplett assimilieren kann. - Beben wie gehabt, im südlicheren Teil der Cumbre Vieja, keine Variationen der Lagen und Tiefen. - Deformation stabil, das Wetter bessert sich leicht, wir erwarten heute noch Wind aus Nordosten. - Die große Erleichterung wird das allerdings noch nicht werden, kein stabiler Passat ist angekündigt, sondern eher unmotiviertes Gesäusel, zumindest aber aus der richtigen Richtung.
Um die Bananenpflanzungen zwischen El Remo und Los Guirres zu retten, hat man nun zwei transportable Meerwasserentsalzungsanlagen bestellt. - Die sollen bereits Dienstag auf der Insel sein und bis Mitte des Monats installiert werden. - Zusätzlich soll ein Tankschiff (Bunker) für Wasser auf den Weg gebracht werden, der dann als Relaisstation für die Entsalzungsanlagen und den Bewässerungskanälen dienen soll. - Man ist also nicht gewillt, diese Pflanzungen dort unten aufzugeben und daran kann man auch den Stellenwert der Bananen und deren Landwirte bei uns erkennen. - Aber alle applaudieren dieser Kraftanstrengung, denn aufgeben ist keine wirklich palmerische Charaktereigenschaft. - Jetzt sind wir gespannt, was noch alles kommt und ob wir dem dann auch noch die Stirn bieten können. - Ist Ihnen eigentlich schon mal aufgefallen, dass das Spiel, "Der Boden ist Lava" hier auf der Insel keine wirkliche Verbreitung findet?
Es bleibt dabei, es rührt sich weiterhin viel unter der Cumbre Vieja
Der Tremor wird nicht stärker, es kommen aber immer wieder explosive Episoden
Wir sind die Aschesoldaten und ziehen mit dem Besen hinaus!
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