26.11.2021 Tag neunundsechzig der Eruption
Freitag 26.11.2021 El Paso 06:30 Uhr
Donner, Blitz, Regen und ein neuer, alter Schlot
Ein unruhige Nacht
Lange war das Gefühl nicht mehr da, auf fließendem Magma zu liegen. - Gestern am späten Abend war es dann mal wieder so weit. - Ich habe nicht gesagt, endlich! - Es ist, als läge man auf Wackelpudding und jemand rüttelt leicht an der Schüssel. - Ob es nun grüner, oder roter Wackelpudding war, das weiß ich nicht, aber manchmal, besonders auch in der ersten Woche Eruption, haben wir öfter für ein paar Stunden diesen Tremor gefühlt. - Man muss dazu aber ganz ruhig sein und nicht auf einer weichen Matratze liegen, sonst spürt man das nicht. - Das war dann gegen Mitternacht auch wieder vorbei und man kann an der Grafik des Tremors auch erkennen, dass es deutlich Ausschläge in Richtung heftigerer Aktivität gibt. - Darüber hinaus war die Nacht sowieso unangenehm und unruhig. - Wir sind uns ja immer noch nicht sicher, was da an eventuell rutschender Asche auf uns zukommt und dann das Gewitter, welches die Insel und den Vulkan in ein ganz gespenstisches Licht rückte. - Ein Konzert aus
dem Jet des Vulkans, den Explosionen im Inneren, den Blitzen und eben dem Grollen des Donners, welche manchmal sogar als Echo aus der Caldera zurückgeworfen wurde. - Zwölfton-Musik mit vielen Pauken, Taburiente-Trompeten und einem furiosen Triangel-Solo in Blitztechnik. - Manche nennen es Musik, ich nenne es Krach.
Als irgendwann klar war, dass wir nicht taub werden, ertrinken, vom Blitz erschlagen oder einem FDP-Minister Unterschlupf bieten müssen, bin ich dann auch erschöpft eingeschlafen. - Die ganz feine Asche fließt gar nicht gerne, wird mit Wasser eher zu einem zähen, schweren Brei und gerne würde ich die Sauerei bald mal wegmachen, aber wir haben noch ein- zwei Ladungen Wasser vor uns. - Es gab allerdings nur ein paar Minuten mal hefigen Niederschlag, sonst war das eher Regen der Normalklasse und keine wirkliche Prüfung. - Am Krater hat sich gestern Abend bereits eine Neuigkeit ergeben, welche gar nicht so neu ist. - Oberhalb des bisherigen Schlotes für den Austritt der Lava liegt der alte Hauptschlot. - Der ist aber schon ein bisschen angeknabbert und nur selten kam da noch was raus, meist eine Mischung aus Lava und Gasen. - Vor ein paar Tagen allerdings spie dieser Schlot für ein paar Stunden Lava und gab damit den Startschuss für den neuen "Angriff" auf La Laguna vom Süden her. - Nun scheint sich der alte Kraterschlot als neuer Ausgangpunkt für die Lava installieren zu wollen und schickt seit gestern Abend gleichmäßig, aber viel Lava ins Tal. - Wieder allerdings in die Rinne, welche von der Westseite nach Süden geht, also hat sich nur oben am Krater etwas verändert und nicht generell am Verteilungssystem der Lava. - Ob es nun mehr Lava ist und es deshalb ein zweiter Schlot her musste, oder ob es am alten Ausgang ein Hindernis gibt, das kann ich nicht beurteilen. - Die Lavamenge kann ich auch deshalb schlecht einschätzen heute, da der Strom weiter südlich läuft und wir auch die Szene hinter dem "Cogote" nur leicht am Lichtschein mehr ahnen, als beurteilen können. - Aber ich gehe davon aus, dass es mehr Lava geworden ist, also noch gestern floss.
Wie das nun am Friedhof von Las Manchas weitergegangen ist, das ist auch noch offen. Verlässliche Aussagen dazu gehen irgendwann auch mal ins Bett und danach ist man dem querfliegenden Blödsinn der Telegram-Klasse ausgeliefert. Würde man daraus Schlüsse ziehen, dann könnte man Nachrichten gleich auf richten und Berichterstattung auf Erstattung reduzieren. - Es ist in den sozialen Medien dann doch wieder wie im richtigen Leben: Ab 02:00 Uhr passiert nichts Gutes mehr. - Blicken wir auf die Daten. - Der Tremor spiegelt ein bisschen die unruhige Nacht wider, allerdings hätte ich sogar größere Ausschläge erwartet. - Die Beben bleiben geringer Anzahl und weiter galant in Sachen Magnituden. - Ein Beben allerdings reißt uns aus der netten Tendenz: 4,8 um 22:14 und dann auch noch in 37 Kilometer Tiefe. - Wir hatten ja ein deutliches Absinken der Magnituden festgestellt, genau so wie die Zahl der Beben ab 30 Kilometer und tiefer sichtbar zurückgegangen ist. - Nehmen wir diesen "Klopper" mal als Ausnahme in der Tendenz, nennen das wieder Ausgleichsbewegung und gehen davon aus, dass es kein erneutes Anwerfen der Magma-Pumpe Richtung Oberfläche wird. - Was wir so alles annehmen, um uns das Leben am Kraterrand erträglicher zu machen… Nein, passt schon, die Tendenz zeigt weiter nach unten, auch wenn der "Jet" aus dem hinteren Teil des Monsters vom Kuhkopf heute Nacht irgendwie an seine besten Zeiten erinnert hat.
Weniger Beben, im Vergleich zu letzter Woche, und nur noch selten eines unter 30 Kilometer Tiefe
Quelle: IGN
Nach der unruhigen Nacht hätte ich heftigere Bewegungen im Tremor vermutet
Quelle: IGN
Weniger Beben in der Tiefe, geringere Magnituden
Quelle:Volcano Discovery
Der neue, alte Lavaschlot am Monster vom Kuhkopf, gestern Abend
Der Nachbar möchte inzwischen Tantiemen für seine Palme haben
Freitag 26.11.2021 El Paso 18:00 Uhr
Macht doch endlich mal jemand die Kellertür zu!
Kommt noch Regen oder sind wir schon durch
Fünf Stunden hatten wir heute Früh kein einziges Beben! - Davor auch schon kaum noch solche, unter den so oft auftauchenden 30 Kilometer Tiefe. - Dann ging es gegen Mittag wieder los und wieder in der besagten Tiefe in der wir nicht genau wissen, was da eigentlich los ist. - Wir hoffen, es sind Ausgleichsbewegungen, aber wir fürchten, es ist nachströmendes Magma, welches dann auch weiter an die Oberfläche gepumpt wird. - Mit anderen, aber ebenso unsicheren Worten, so lange da unten nicht einigermaßen Ruhe ist, so lange wird das auch nichts mit dem Ende der Eruption. - Dabei muss es nicht vollständig ruhig werden, wir wissen ja aus El Hierro, dass noch Jahre nach der Eruption in gewissen Zeitabständen tiefe Beben vom Zurechtrücken des Inseluntergrundes zeugen. - Aber die Anzahl der Beben in den Tiefen scheint zu hoch, um nur für den Ausgleich sorgen zu wollen. - Wir werden das morgen zunächst am möglichen Anstieg der Bodendeformation sehen, nachdem der Schwefelgehalt in der Aschewolke des Vulkans gestern nicht messbar war. - Sollte da unten eine neue Magmapumpe angeworfen worden sein, dann müssen wir das Zeug wahrscheinlich auch noch abarbeiten, haben also die kommenden Tage wieder reichlich zu tun. - Aber dennoch, die Anzahl und die Magnituden sind geringer als noch letzte Woche, was uns wieder zu der Tendenz bringt und die zeigt weiter nach unten. - Am Krater fließt jetzt wieder seit Vormittag deutlich weniger Lava, zumindest aus dem für uns einsehbaren Schlot direkt auf der Westseite. - Gestern öffneten sich wohl südlich des Kraterfußes mehrere Spalten, aus denen auch Lava austrat und mit dafür verantwortlich war, dass der Friedhof südlich des Cogote-Hügels inzwischen fast vollständig mit Lava bedeckt ist. - Nach den Aussagen der Pressekonferenz heute, sind diese Spalten inzwischen aber nicht mehr aktiv. - Ein Video gibt es hierzu, wobei besonders zu beachten ist, dass diese Spalte mehrere Hundert Meter südlich des Kraters aufgegangen ist. - Das beunruhigt nun auch wieder viele Leute, dass es jederzeit möglich sei, dass sich solche Spalten auch anderswo öffnen könnten. - Es scheint allerdings unwahrscheinlich, dass sich weiter als ein paar Hundert Meter solche Risse zeigen, darüber hinaus kommt das Magma aus dem Süden heran, also sollte das Magma im Norden des Kraters nicht derart nah unter der Oberfläche fließen, wie das aus südlicher Richtung kurz vor dem Krater der Fall ist.
Es wird also zunächst weiter gehen. - Fleißige Gasfontänen aus dem Hauptkrater und Robin und Lava aus der westlichen Öffnung, wobei der obere Schlot, welcher die Nacht über aktiv war, jetzt nicht mehr am Ausstoß der Lava beteiligt zu sein scheint. - Das Wetter ist wohl schneller durch als gedacht, denn schon treiben heftige Passatwolken über der Cumbre Nueva den Qualm des Vulkans in den Südwesten. - Auch spürt man bereits den kälteren Wind aus Nordost, auch wenn die Vorhersagen noch Regen für diese Nacht selbst im Aridanetal ankündigen. - Ich glaube daran nicht, außer kleinen, unbedeutenden Schauern ist das wohl durch. - Die erste Erfahrung nun mit der feinen Asche ist, diese will sind nicht wirklich bewegen. - Die feinen Partikel sind derart saugfähig, dass aus der Ascheschicht ein breiiger Klops wird, der viel, sehr viel Wasser und viel Neigung braucht, um sich zu bewegen. - Allerdings war es nicht wirklich viel Regen hier auf der Westseite. - Lediglich in zwei Momenten regnete es wirklich viel auf einmal und stellte die Aschemassen vor die "Laufprobe", aber es werden keine Probleme mit lahar- oder murenähnlichen Vorfällen berichtet. Dafür wird es die kommenden Tage knackig kalt des nachts im Aridanetal und es wird erneut Zeit dafür, sich über ein Geothermiekraftwerk schlau zu machen. - Das, welches im Moment gerade arbeitet, das hat keine Betriebsgenehmigung und außerdem wirft es andauernd mit Schlacke und Ruß um sich…
Fünf Stunden ohne Beben und dann kommt da wieder jemand aus dem Keller gekrochen...
Quelle: IGN
Der Tremor in seiner sanften Hartnäckigkeit
Quelle: IGN
Jetzt bangen die Menschen weiter südlich wieder um ihr Hab und Gut, auch Las Norias rückt wieder ins Blickfeld
Quelle: Open Data La Palma
Am Krater heute Morgen
Am Krater heute Abend
Blick auf La Laguna. - Die Daten auf den Lavazungen zeigen die beiden Versuche, La Laguna einzunehmen. - Beide nur zum Teil erfolgreich. - Als könne der dünne Kunststoff des Gewächshauses beide Lavazungen trennen. - Allerdings sehen wir nach dem Regen selbst auf der älteren Lavazunge noch Fumarolen
Auch schwarzweiß wird er nicht schöner
Quelle: Herbert Schaar
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