Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell 25.09.2021 Vulkanausbruch

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Vulkantagebuch



25.09.2021 Tag sieben der Eruption


Samstag 25.09.2021 El Paso 08:00 Uhr

Rhythmisch wie die Meeresbrandung
Ein Vulkan mit multipler Persönlichkeit


Das Leben ist kein ruhiger Fluss. Ab Mitternacht habe ich sogar etwas geschlafen, um dann gegen 04.00 von beginnendem Ascheregen geweckt zu werden. - Kann man doch nicht hören meinen Sie? - Kann man doch, fast wie normaler Regen auf dem Dach und wenn man wie wir, momentan auf jede Geräuschveränderung reagiert, dann hört man sogar Ascheregen. - Es ist noch dunkel draußen, so habe ich noch keinen Überblick, ob ich schon auf die Dächer muss zum fegen. - In der Nacht war der Vulkan relativ zahm. - Aus dem unteren Ausgang strömt die Lava und der Gasschlot fauchte diese Nacht sogar in einem definierbaren Rhythmus. - Alle drei bis vier Sekunden Ruhe, dann wieder das Ausatmen der glühenden Partikel, angetrieben vom heißen Gas. - Fast wie Meeresrauschen, nur hier in El Paso eben völlig fehl man Platz und sehr befremdlich. - Die Lava der neuen Öffnung ist deutlich schneller, als der bereits erkaltende Kram, der bei Todoque herumhängt. - Allerdings legt sich ein Teil der neuen Lava von Norden auf das bereits angelegte Lavabett und berührt nur in geringerem Ausmaß einen bislang verschonten Teil, direkt an die Nordgrenze der bisherigen Lavazunge. - Das Wetter spielt nun gar nicht mehr mit, im Moment herrscht absolute Windstille und so regnet die Asche des Vulkans in einem großen Umkreis, sicher mehrere Kilometer, auf uns herab. - Zu den Explosionen von gestern, welche wirklich ein erschreckendes Ausmaß hatten, gibt es auch folgende Theorie: Das heiße Magma im Untergrund ist auf Wasser gestoßen und hat daher so heftig reagiert. Auf einer Grafik von Involcán (unten) kann man sehr deutlich das gestrige Anwachsen der Heftigkeit des Tremors sehen und dann die anschließende Ruhephase seit der Öffnung des unteren Schlotes, aus dem nun die Lava leichter austreten kann. - Die Inselregierung hat nun selbst eine, wirklich umfassende "Vulkanbegleitungswebseite" ins Netz gestellt, auf der man auch die beiden Messstationen für Luftqualität in Los Llanos und Fuencaliente erreichen kann. - Darüber hinaus gibt es auch noch einen Visor, der interessanten bis voyeuristischen Art. Dort kann man in zwei Fenstern gleichzeitig das Vor und Nach der von der Lava betroffenen Gebiete absuchen. - Nach den Messungen des Instituto Geográfico Nacional gab es gestern drei Beben, welche nicht vom Tremor überdeckt wurden in den Stärken 2,2 bis 2,8. - Allesamt südlicher, als der jetzige Mittelpunkt des Geschehens.

Der Flughafen ist seit vorgestern auch immer mal wieder zu, gestern sogar die überwiegende Zeit. - Die beiden, hier fahrenden Reedereien, "Naviera Armas" und "Fred Olsen" haben angekündigt, nun zusätzliche Routen von und nach La Palma einzurichten, um den Leuten zu ermöglichen von der Insel zu kommen. - Oder auf die Insel, denn im Norden und auf der Ostseite herrscht weiter ziemlich normales Leben, auch wenn man das angesichts eines Vulkanausbruchs und meiner Schilderungen wohl kaum glauben kann. - Allerdings kommt die Aschewolke überall inzwischen hin, wenn auch die Mengen weniger werden, je weiter man sich vom Vulkan entfernt. - Dazu auch noch mein Aufruf: Kommen Sie jetzt nicht als Urlaubsgast auf die Insel, auch wenn Sie im Norden oder auf der Ostseite ein Quartier gebucht haben. - Sollten noch mehr Teile des Aridanetals evakuiert werden müssen, brauchen wir alle Betten für diese Leute. - Mag sein, dass mein Aufruf nicht jedem gefällt. - Allerdings gefällt mir ja auch nicht jeder… Sobald der Vulkan seinen Auftritt hatte und wieder zur Ruhe kommt, dann können Sie La Palma am allerbesten helfen, indem Sie dann als Urlaubsgast die Insel besuchen. - Nicht nur ein Wochenende, sondern ein paar Wochen. - Im Osten oder im Norden geht das sicherlich gut, gleich nach dem Abflauen der Eruption, im Aridanetal dann, wenn die grundlegenden Infrastrukturen, wie besonders die Hauptverbindungsstraßen, wieder hergestellt werden. - VISIT LA PALMA LATER! - Jetzt bin ich auch noch gespannt, wie viel Alltag wir hier im Aridanetal noch haben. - Unser Gaslieferant hat versprochen, heute zwischen 09:00 und 09:30 zu liefern. Der Vulkan liefert zwar viel Gas, aber schlecht verpackt. - Ich bin jetzt mal gespannt, ob der tatsächlich kommt und mir damit eine heiße Dusche ermöglicht.




Wem das nichts sagt, der erfreue sich an den bunten Farben...




Hiermit kann jeder was anfangen: Am 24.9.2021 ab Mittag heftige Explosionen, dann gegen 16:00 Uhr, nach der Öffnung des unteren Schlotes, zurück zu "normalen" Werten.




Bislang gibt es nur bei CO2 Spitzen, welche das Limit überschreiten, allerdings ist die Station in Los Llanos. - Je näher man dem ungehobelten Feuerspucker kommt, um so höher sind sicherlich die Werte




Samstag 25.09.2021 El Paso 11:00 Uhr





Endlich steht der Rauch so, dass wir kurz einen Blick auf die Krater werfen können.

1= Der große Schlot, aus dem pyroklastisches Material und große Gasmengen ausgeworfen werden, der ist fast von Anfang an aktiv

2= Der gestern entstandene Austritt aus dem Lava in beachtlichen Mengen entweicht. - Dieser Ausgang war am ersten und zweiten Tag auch schon vorhanden, dann verschüttet

3= Aufhäufung des Auswurfs, da fehlt seit gestern Nachmittag ein Stück, die Kerbe war nicht vorhanden

4= Cabeza de Vaca, welcher einen schönen Weg hinauf zum Llano de Jable bot












Samstag 25.09.2021 El Paso 12:45 Uhr









Wir wissen nicht definitiv, was wir da hinter der Montaña Rajada sehen. - Eine neu entstehende Eruption, oder das Ende der südlichen Lavazunge, welche man von El Paso aus nicht beobachten kann.





Samstag 25.09.2021 El Paso 17:00 Uhr

Flughafen freipusten mit Laubsaugern
Neue Eruption mit Ladehemmung


Das Leben ist keine Wahlsendung. Manchmal kann man Bilder nicht wirklich einordnen. - Der Flughafen La Palma ist mit einer Ascheschicht überzogen und so ist es unmöglich, dass dort Flugzeuge landen oder starten. - Wir sind zwar eine Insel der Vulkan, aber es ist ja dann doch nicht so, dass alle Jahre wieder solch ein Monstrum seinen stinkigen Odem über uns legt. - Wir haben kein Vulkanascheaufnahmegerät. Also wie bekommt man eine solche Landebahn und die anderen Bereiche staubfrei? - Mit Laubsaugern bemühen sich Leute in Staubschutzmänteln das Zeug weg zu bekommen. - Sisyphos ist überall und vielleicht gelingt es ja. - Das Wetter spielt heute dem Aridanetal in die Karten, der Wind kommt meist aus Westen und bläst die Asche auf die andere Seite der Insel. - Es ist genau so, wie mit den Lavazungen, der eine wünscht sich diese Richtung, da eben wo der Heilige Sankt Florian sein Haus geplant hat und der Nachbar weiter westlich, ist da ganz anderer Meinung. - Wir werden abwarten müssen, ob denn der Flughafen heute noch, oder erst in den kommenden Tagen wieder operativ wird. - Die Fähren sind jetzt die einzige Verbindung nach außen und es wird viel gereist diese Tage. - Manche sind neugierig, viele werden nach La Palma zum helfen geschickt und viele andere kehren der Insel temporär den Rücken, da sie deutlich genervt sind von dem Vulkan. - Oder einfach Angst haben, was noch alles passieren kann.

Und es ist viel passiert, aber noch nicht alles können wir einordnen. - Fangen wir hinten an. - Eine neue Eruptionsstelle hat sich aufgetan, südwestlich des bisherigen Hauptkraters. - Das war heute Mittag. Allerdings scheint diese neue Öffnung nicht, oder nur wenig aktiv. - Allerdings können wir, da wir aus Südwesten auf das Geschehen blicken, eben weder hinter den jetzigen Krater blicken, noch hinter die Montaña Rajada, dorthin wo der neue Austrittsbereich entstanden ist. - Die mehreren Beben, welche heute früh und gestern tagsüber messbar waren, die rüttelten allesamt weiter im Süden, sollten also nichts mit dem neuen Aufbruch zu tun haben. - Wir müssen das also bislang so stehen lassen: Nicht, oder wenig aktive Bruchstelle. - Auch können wir die Nähe zur neu geschaffenen Ablaufrinne mit Lava im Süden des alten Kraters zur neuen Öffnung nicht richtig zuordnen, vielleicht sorgen ja später noch Drohnenaufnahmen für mehr Erhellung. - Im Lauf des vormittags noch bestätigte sich allerdings, dass gestern Nachmittag nicht nur die Befürchtung bestand, der Krater könnte komplett, oder in Teilen zusammenbrechen, sondern es ist definitiv geschehen. - Dabei entstand eben diese neue Rinne, welche jetzt Lava weiter nach Südwesten schickt und den Strom ernährt, welcher am weitesten im Süden in Richtung Atlantik unterwegs ist. - Zunächst zog dieser Strom ja nördlich des Friedhofhügels (Cogote) vorbei um sich dann an den alten, wohl bereits fast zum stehen gebrachten Strom anzulehnen. - Jetzt allerdings fließt der neue Strom südlich wiederum weiter und bedroht neue Regionen zwischen Camino Pastelero und Camino la Jurona. Auf der Karte von Copernicus kann man den neuen Weg des südlichen Lavastroms erahnen, aber die Karte ist noch von gestern, also nicht aktuell.

Der Chef der Krisenstabes für Vulkane (frei übersetzt für Pevolca) Miguel Ángel Morcuende versucht nach der täglichen Sitzung in einer Presseerklärung die Bevölkerung zu beruhigen. - Allerdings kennen wir den netten Herrn bereits, der neigt immer dazu, die Dinge in ein sanftes Licht zu setzen, was auch durchaus als seine Aufgabe zu verstehen ist. - Panikmache ist immer dumm und meist kontraproduktiv, aber immer darauf hinzuweisen, dass es sich bei dieser Eruption um einen typischen kanarischen Vulkan handelt, das ist ein bisschen zu wenig. - Noch rarer machen sich die echten Wissenschaftler, wobei die Direktorin des IGN María José Blanco häufiger versucht uns Unwissende zu begleiten, als Nemesio Pérez, der Chef der kanarischen Involcán. - Inzwischen meldet sich auch der Godgrandfather of Volcanoes, Juan Carlos Carracedo zu Wort und meint, dieser Vulkan sei ein ausgewachsener Schlingel und bei weitem größer und mächtiger als der, nahezu folkloristisch anmutende Teneguía. - Das haben wir auch schon bemerkt und fürchten nun, dass die Chose auch länger dauert, als der Teneguía und wir wohl nicht mit 2 Wochen davonkommen werden. - Aber man weiß nie: Vielleicht verschießt ja der Volcán de la Gran Mierda sein Pulver sehr schnell. - Ach übrigens. - Alltag funktioniert auch noch in El Paso, ich konnte nicht nur warm, sondern sogar heiß duschen. - Jose, der Fahrer von Cepsa, kam heute pünktlich mit den Gasflaschen ans Haus gefahren und meinte auf meinen Applaus hin: Wenn ich sage ich komme, dann komme ich. - Chapeau an alle Alltagshelden.




Täglich grüßt Kopernikus




Die, neben dem Tremor messbaren Beben der letzten drei Tage zeigen leicht nach Süden




Seit Mittag atmet der Vulkan wieder rhythmisch und ohne Explosionen und lässt uns auf eine Nacht ohne Angst hoffen







Familie Ingrid & Mathias Siebold
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La Palma, Islas Canarias, Spanien
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