02.10.2021 Tag vierzehn der Eruption
Samstag 02.10.2021 El Paso 07:00 Uhr
Dicke Luft und heiße Socken
Gewöhnt man sich irgendwann an einen Vulkan in der Nachbarschaft?
Das Leben ist kein Quiz. - Auch stellt einem ja niemand die Frage, ob man denn lieber einen Vulkan, oder einen schlecht erzogenen Fußballer zum Nachbarn haben will. - Ich stelle mir allerdings die Frage, ob man sich denn irgendwann an das brodelnde Monster da zwischen Tacande und San Nicolás gewöhnen kann. - Ich habe mehrere Stunden am Stück geschlafen, ohne vom Vulkan geweckt zu werden. Einmal ist der Vulkan recht ruhig gewesen diese Nacht und darüber hinaus gibt es vielleicht wirklich so was wie Gewöhnung. Möchte ich eigentlich gar nicht, denn wir betrachten den Vulkan dort, also den aktiven, Feuer speienden Kegel, nicht als Alltag. - Auch wenn Alltag eine wunderbare Abwechslung sein kann und vielleicht sollte der Eine oder die Andere heute einfach mal einen Ausflug machen, in den Norden, oder nach Santa Cruz. - Um die Ohren frei zu kriegen, mal gute Luft zu atmen oder einfach mal wieder einen anderen Blickfang zu haben, als einen Rauch und Feuer schleudernden Vulkan. - Ruhige Nacht bedeutet, der Vulkan hatte keine Schwierigkeiten die Massen an Gas und Magma loszuwerden, die ihm aus den unterirdischen Kavernen nachgereicht werden. Zwei große Gasfahnen, die auch die Lapilli und größere Brocken glühenden Gesteins ausschleudern, konnten wir gestern Nacht noch ausmachen. - Darunter die bereits seit vielen Tagen bekannte Hauptaustrittsöffnung der Lava. Ein bisschen davor, also aus unserer Blickrichtung, aus Nordwesten, der kleinere Storm parallel dazu und noch weiter, direkt am Sockel des fragilen Kraters, die Auswurföffnung, welche gestern im Laufe des Tages noch die Hoffnungen vieler Leute in Alcalá und Paraíso zunichte gemacht hat. - Den südlichen Teil des Vulkankegels können wir nicht einsehen, aber es muss auch dort noch einen beachtlichen Auslass für Lava geben.
Dieses Mal gewinnt "Openstreetmap" den zweiten Preis der Aktualitätsrallye, die haben als einzige, nach Enrique, nun auch die neueste Lavazunge eingezeichnet, wohl basierend von den Drohnenflügen und Augenzeugenberichten aus der Zone. - Diese Zeugen, meist Leute von der UME und den wissenschaftlichen Instituten, werden inzwischen zu gewichtigen Helfern, auch an der Informationsfront robustere Hinweise zu bekommen. - Im Moment sieht es so aus, als würde sich der neue Lavastrom nicht weiter in Richtung Nordwesten ausbreiten, also konkret bereits das Industriegebiet und später La Laguna bedrohen. - Die seismische Aktivität im Süden bleibt bestehen, die Deformationen haben an den entscheidenden Messstationen LP03 und LP04 minimal nachgelassen. - Die Lavaautobahn ins Meer funktioniert einwandfrei, wäre da nicht der neue Auslass am Nordrand des Kraters gewesen könnte man von einem gut funktionierenden geschlossenen System sprechen. - So sind wir weiter gespannt auf die Richtung der neuen Lavazunge und ob der Vulkankegel hält und die Gase weiterhin ungestört austreten können.
Diese haben ja gestern tagsüber öfter für dicke Luft im Tal gesorgt. Schließlich hat man sich, also die "Pevolca", der vulkanologische Krisenstab der Insel entschlossen, Tajuya, Tendiña und angrenzende Siedlungen unter Stubenarrest zu stellen. - Nachzuvollziehen, allerdings kam das viel zu spät und sobald der Wind dreht, wie jetzt auf Ost, verschwinden die Gase sehr schnell wieder. - Aber Achtung, der Wind kann schon bald wieder auf Südost zurückdrehen und dann kommt die ganze Brühe wieder ins Tal geblasen. Wie scharf dieses "Confinamiento" kontrolliert wird, das weiß ich nicht, ich brauche dringend neue Besen… Ab heute Nachmittag sollte dann der Südost-Spuk vorbei sein und wir endlich wieder mit uns bekannten Windrichtungen aus Nord rechnen können. - Dann geht es spätestens wieder raus an die Aschefront, rauf auf die Dächer und runter das Zeug. - Daher die heißen Socken, wenn ich wieder mit der Schubkarre voll Lavagrus über unser Grundstück jage. - Nicht alles wegwerfen, (wenn, dann in die bereit gestellten Container) das Zeug kann wunderbar zum Mulchen verwendet werden und gesiebt auch als Bausand.
Sehr hilfreich dieses Projekt, sehr viel schneller als die Satellitenaufnahmen von Copernicus.
Hier ist das "Stubenarrestgebiet", welches die Pevolca gestern Abend noch erlassen hat
Samstag 02.10.2021 El Paso 18:00 Uhr
Was raus muss, muss raus
Man kann sich übrigens nicht an einen Vulkan gewöhnen
Das Leben ist kein explosiver Durchfall. - Enrique, der von VolcanesyCienciaHoy erklärt die Dinge manchmal sogar für uns verständlich. - Es sei ein bisschen wie bei einem Durchfall, wenn man etwas Verdorbenes gegessen habe. - Bis das nicht alles wieder raus ist, gibt es keine Ruhe. So wie das riecht, kann das, was der Vulkan ausspuckt auch nur verdorben sein. - Allerdings bekommt der immer neue Nahrung und das wohl aus den Tiefen unter der Cumbre Vieja. - Die immer noch vorhandenen Erdbeben dort rund um die 10 Kilometer, ein bisschen weiter im Süden, reißen einfach nicht ab. Ein funktionierendes System dabei wäre, es kommt immer vorne so viel raus, wie man hinten rein schiebt und bevor nun diese Seite auf irgendeinem Index landet müssen wir irgendwie zu, mindestens pseudowissenschaftlichem Vokabular zurück. - Im Moment scheint dieses Verhältnis etwas gestört, denn seit den Mittagsstunden findet wieder eine Vielzahl von Explosionen statt, welche auch schon am erstem Freitag uns so richtig erschreckt haben. - Eigentlich kennt man das ja jetzt schon, aber es ist weiterhin verstörend, die Druckwellen dieser Explosionen zu erfahren und die Fenster und Türen wackeln und zittern zu hören. - Ob das Ding nun Verstopfung hat, oder gerade eine neue "Lieferung" Magma reingekommen ist, oder eben wieder irgendwelche Wasserblasen im Weg sind, wir wissen es nicht. - Auf jeden Fall ist seit Mittag die Aktivität des Vulkans wieder deutlich angestiegen und ich habe das Gefühl, dass der Kraterkegel sich nun stündlich in seiner Form ändert und sich neu positionieren will. - Die verschiedenen Auslassöffnungen sind zwar noch da, aber das fragile System scheint nicht mehr glatt zu funktionieren.
Ein bisschen besser sieht es da beim Abtransport der Lava ins Meer aus. - Auch die letzte, neue Lavazunge, welche immer auch noch das Industriegebiet und danach La Laguna bedroht, scheint sich nun mit der großen Zunge vereint zu haben. - Allerdings ist eben nicht sichergestellt, dass der nun unterirdische Lavafluss, "Tubo Vulcánico" auch ausreichend Platz für so viel Lava bietet. - Sollte das nicht der Fall sein und dadurch ein Bruch oder Rückstau entstehen, kann sich erneut Lava außerhalb des nun bereits seit fast zwei Wochen gebildeten Hauptstroms ausbreiten. - Eben auch Richtung La Laguna. - Dort saugen Feuerwehren nun die Reservoirs der Tankstelle leer, da hat irgend jemand mitgedacht. - Noch größere Probleme gibt es nun für die Bananenbauern, welche auf der Tiefebene von El Remo bis nach Las Hoyas ihre Früchte ziehen. - Die Wasserversorgung dorthin ist nun von den Lavamassen unterbrochen worden und jetzt gerade befinden wir uns in einer Hitzewelle, welche den sowieso durstigen Pflanzen noch mehr Stoffwechsel abverlangt. - Nicht mal ein Vulkan kommt zur rechten Zeit, wie soll man sich dann an so etwas gewöhnen können. - Die Ausgangsperre für Tajuya und Tendiña wegen dicker Luft ist wieder zurückgenommen und in der Tat sieht das mit der Windrichtung für die kommenden Tage etwas besser aus. Heute Morgen anderthalb Stunden gefegt, dann wurde es zu heiß, jetzt versuche ich es noch einmal, das nächste der vielen Dächer von der Asche zu befreien. - Wie sagte meine Frau so treffend: Wenn du wegen der Hitze von Dach fällst, dann haben wir nichts mehr davon, dass das Dach nun sauber ist. - Ich suche immer noch den Haken an der Geschichte, oder wollte die wirklich einfach nur nett sein…
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Die Zahl der Beben im Süden will einfach kein Ende nehmen
Da nimmt wieder jemand Fahrt auf
La Palma und der Aschewirbel von oben
La Palma und der Aschewirbel von unten
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