Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell 20.09.2021

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Vulkantagebuch



20.09.2021 Tag zwei der Eruption


Montag 20.09.2021 El Paso 08:00 Uhr

Wie ein vorbeifliegender Düsenjet
Plötzlich spielt Covid keine Rolle mehr


Das Leben ist kein Pausenhof. - Nachts ist alles immer schlimmer als tagsüber. - Irgendwann bin ich gegen 03.00 Uhr eingeschlafen, aber bald schon wieder aufgewacht und hatte das erste Mal Angst. Die Geräusche, die Gerüche und das Bild der roten Flammen, welche sich inzwischen auch mehr als anderthalb Kilometer nach unten ziehen. - Ich hatte mich schnell wieder im Griff, aber neben grauen Katzen ist nachts einfach immer alles irgendwie schlimmer. - Von unserem Standpunkt aus, wir sind etwa 2,5 Kilometer Luftlinie entfernt, ist es nicht konkret auszumachen, wo genau das rote Band der Lava sich nach unten, also nach Westen zieht, aber man spricht von einer Bedrohung der Siedlungen Todoque, wie auch La Laguna. - So weit sind wir noch nicht, da die Lava wirklich langsam ist, aber eben unaufhaltsam. - Am Krater selbst, inzwischen hat sich ein solcher dort oben hinter dem Cabeza de Vaca gebildet, hatte man gegen ganz frühen Morgen den Eindruck, dass das Grollen der unter Druck stehenden Lava etwas nachgelassen hätte. Das Seismogramm des IGN zeigt allerdings einen unverminderten Tremor an, der ein Abflauen der Tätigkeit nicht wirklich spiegelt. - Die Frage nun, wie viele Menschen müssen noch evakuiert werden und wie weit wird sich das zerstörerische Band noch durch bewohntes Gebiet ziehen? - Es ist den Sicherheitskräften, aber auch dem Wesen der Menschen hier zu verdanken, dass bislang niemand zu Schaden kam, aber was an Zerstörung von Eigentum, Infrastruktur und Gewerbe zurückbleiben wird, das übersteigt die Folgen des Brandes im August um ein Vielfaches. - Es bleiben als nächste Heimsuchung noch schwere Niederschläge beim ersten Regen, so versuchte man sich gestern Nacht noch irgendwie frotzelnd bei Laune zu halten und in der Tat sind wir hier im Aridanetal schon ziemlich gebeutelt worden diesen Sommer.

Die ganz große Fragen jetzt, wie lange hält die Eruption an und ist der jetzige Ausbruchsort der endgültige? - Es gab Hochrechnungen, es seien knapp 20 Millionen Kubikmeter Magma die letze Woche unter die Insel eingeschossen. - Ermittelt hat man das anhand der Bodendeformation, zuletzt wohl bis 15 Zentimeter und über die Ausbreitung der Epi- wie Hypozentren der, längst über 20.000 meist kleinen Beben, welche diese vulkanische Episode eingeläutet hatten. - Diese Menge entspricht etwa der Hälfte der Lava, welcher der Teneguía 1971 zur Verfügung hatte und daraus entsteht ein doch recht simples Rechenergebnis: 24 Tage spuckte der Teneguía Feuer und Asche. - Allerdings lässt sich natürlich nicht abschätzen, wie unterschiedlich stark die Auswürfe sind und auch gibt es über die geschätzten vorhandenen Mengen an "Munition" beider Vulkane ziemlich große Fragezeichen. - Ob denn nun der Standort des jetzigen Schlotes hinter dem "Kuhkopf" der endgültige ist, auch das lässt sich nicht mit Klarheit beantworten. Allerdings scheint der Auswurfkegel inzwischen sehr breit und die Lava steigt dort mehrere Hundert Meter in die Höhe. - Der größte Unterschied allerdings zwischen den beiden Eruptionen: Der Teneguía belegte eine, praktisch unbewohnte Zone der Insel mit schwarzer Lava, der jetzige Vulkan schickt seine Fracht mitten durch, zum Teil dicht besiedeltes Gebiet. - Pedro Sánchez, der spanische Ministerpräsident, ist seit gestern Abend auf der Insel, ich denke mal der wird einen ziemlich dicken Koffer an Hilfspaketen schnüren müssen, wenn die Gesamtschäden auch nur annähernd abzuschätzen sind. Im Moment ist es annähernd windstill, im Laufe des Tages erwarten wir sanften Passat aus Nordost, so besteht die Hoffnung, dass die, zum Teil mehrere Tausend Meter hohe Wolke, welcher der Vulkan produziert, nicht in Richtung Flughafen zieht.







Man könnte, mit viel gutem Willen, ein kleines Abflauen des Tremor heute Morgen ahnen







Montag 20.09.2021 El Paso 11:00 Uhr

Camino Pastelero, Todoque, Playa Nueva
Zielgebiete ohne Gewähr


Wir mussten eine Weile auf Orientierung warten, wo denn nun der Lavastrom langsam, aber unaufhaltsam ans Meer zieht. - Im Moment ist der Strom auf etwa 450 Meter Höhe angekommen und zieht am Camino Pastelero in Richtung Todoque. - Etwa im südlichen Teil des Ortes könnte die Überquerung stattfinden und dann würde der Logik und der Orografie nach der weitere Zug Richtung Playa Nueva gehen. - Nur ganz vorsichtig vermutet, auch abhängig von der Menge der ausgestoßenen Lava. - In Zielrichtung ist aber bereits alles evakuiert. Kann sich auch schnell ändern, falls der Lavazug irgendwie aufgehalten wird und eine andere Richtung einschlägt. - Es bleibt spannend und beunruhigend. - Der Wind treibt die Asche nun in Richtung Südwest, der Passat, auch wenn sehr zart, tut doch seine Arbeit. - Der Flughafen ist bislang offen.




Katze vor Vulkan. - La Palma wie es leibt und bebt...



























Montag 20.09.2021 El Paso 16:00 Uhr

Mehr Asche, weniger Lava
Nach 24 Stunden kehrt noch kein vulkanologischer Alltag ein


Der Auswurf des Vulkans hat sich seit heute Früh verändert. - Mehr Asche begleitet jetzt den Auswurf und die Wolken über der Cumbre Vieja werden deutlich dunkler. - Hängt auch damit zusammen, dass meist am Nachmittag der Passat abflaut und etwas Meeresbrise zulässt und so die Asche und Wolken nicht mehr aufs Meer hinaus treibt. - Dort an der Spitze der Vulkanzunge, noch oberhalb Todoques, dort weht der Wind sogar aus Westen. - Mehr Asche, weniger Lava, das kann mit einem leichten Abkühlen des Auswurfs zu tun haben, aber das sind nur Vermutungen. - Die Aktivität des Hauptschlotes schwankt auch in unbestimmten Rhythmus. - Inzwischen hat sich ein deutlicher Krater gebildet, allerdings sehr fragil und es kann wohl damit gerechnet werden, dass diese, aus Lavagrus bestehenden Wände immer mal wieder einstürzen. - Seitens der Politik hört man die Meinung, dass der Lavastrom heute Abend noch die Küste erreicht, eine Einschätzung, die zumindest gewagt scheint. - Es geht sehr langsam voran, das Gelände rund um den Camino Pastelero ist sehr flach und so breitet sich die Lava nach beiden Seiten hin aus und wird wohl erst wieder kurz vor Todoque beschleunigt werden. - An der Schule erwartet man das Überqueren der Straße nach Puerto Naos und im weiteren Verlauf vermutet man, dass der Lavastrom südlich an der Montaña de Todoque dann weiter Richtung Küste zieht. - Im oberen Teil des Lavazugs scheint sich ein neuer Abzweig zu bilden, der Lava in Richtung Industriegebiet von Los Llanos umleitet. - Inzwischen hat man den Bootsverkehr vor der Westküste der Insel restringiert, der dort kreuzenden Hochseeschlepper "Punta Salinas" soll das wohl überwachen. - Die meisten Schüler haben auf der Westseite heute "Vulkanfrei" gehabt, eine ziemlich palmerische Variante des Hitzefrei und irgendwie macht das Sinn, wenn man im dauernden Livestream des kanarischen TV (RTVC) die Schule am Camino Pastelero in Flammen aufgehen sieht. - Die Stimmung auf der Straße ist angespannt bis gereizt, erinnert irgendwie an die Zeiten bei Hitze und Feuer. - Sehr unangenehm aufgefallen ist nun der Versuch, mit dem Unglück anderer Menschen Geld zu verdienen. - Da bietet ein Transportunternehmen Touren zu den "Hotspots" der Katastrophenfotografie an und manch ein Landlord der Vermietungsbranche, mit mehr Land als Lord, sieht gerade jetzt den Moment gekommen, die Preise für Unterkünfte in sicheren Zonen drastisch zu erhöhen. - Ansonsten ist die Solidarität mit den direkt betroffenen Menschen weiterhin sehr groß, inzwischen sind fast alle evakuierten Menschen in privaten Haushalten unter gekommen. - Ein bisschen hat man fast das Gefühl, man würde sich jetzt mit dem Vulkan einrichten müssen, zumindest für einen längeren Zeitraum. Aber es fällt sehr schwer, das fauchende Grollen des wütenden Schlotes als Normalität begreifen zu können.












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