09.11.2021 Tag zweiundfünfzig der Eruption
Dienstag 09.11.2021 El Paso 07:30 Uhr
Verschlafen ist wieder eine Option
Still und starr liegt der Vulkan
Ich habe tatsächlich verschlafen heute. - Erst kurz vor 6 Uhr bin ich hektisch aufgewacht und habe sofort nach dem Vulkan gesehen. - Ich habe nichts entdecken können, Sie müssen wissen, ich muss mich nur in bisschen verrenken im Bett, um das namenlose Monster sehen zu können. - Schnell springe ich auf, ob ich den Piccolo schon kalt stellen muss, aber er säuselt noch leise und das deutlichere Zeugnis, dass auch ich den Wettbewerb nicht gewonnen habe ist das lange Band glühender Lava, welches sich weiter vom unteren Kraterrand nach Westen zieht. - Ja, ich hatte auf heute getippt, 9.November, weil ich ein bisschen geschichtsverliebt bin und optimistisch darüber hinaus. - Macht nichts, wir sind weiter auf einem guten Weg in zauberhaften wie arbeitsreichen Alltag, aber so schnell macht uns der namenlose Vulkan leider nicht den Gefallen komplett den Dienst einzustellen. - Die Daten sind gut, Beben geringer als letzte Woche, Tremor bleibt auf einem niedrigen Niveau und die Tremor-Amplitude lässt jetzt auch in der Gesamtschau eine deutliche Tendenz erkennen. - Angesichts der Daten ist es aber weiterhin verwunderlich, wie viel Lava da noch still und unerkannt aus dem Krater kommt. - Sonst konnten wir den Ausgangsschlot nachts immer gut erkennen, aber weder gestern noch nehmen wir einen Feuerschein wahr, wo die Rinne beginnt, welche das Material von leicht nördlicher Stelle, abwärts in Richtung Süden transportiert. - Glühende Lava taucht erst etwa ab Cogote auf, dann aber können wir den Weg bis hinab zur Montaña Todoque verfolgen, so wie das auch die vergangenen Tage bereits war. - Aber in geringerem Maße und ich kann überhaupt nicht einschätzen, wie lange denn Lava als glühender Horizont im Süden bleibt, wenn erst mal kein Nachschub mehr kommt. - Ich denke nicht so lange, keinen ganzen Tag, denn oberflächlich kühlt die doch schon ziemlich schnell ab. - Also fließt weiter Lava, das zeigt auch der Tremor, also sind auch die ganzen Regionen knapp an der Lavazunge, besonders im Süden noch nicht aus dem Spiel genommen. - Drum lassen wir den Piccolo doch noch stecken, wenn da noch mal eine Nachgeburt kommt oder ein Digestiv der heißen Art, dann erwischt man uns mit der Pulle in der Hand, während andere versuchen ihr Waschbecken noch abzumontieren, bevor Herr Lava mit der Abrissbirne kommt.
Die meisten Vulkanologen, also diejenigen, die wissen müssen, und nicht ahnen, glauben, unken oder vorhersagen dürfen, die tun sich noch schwer mit klaren Aussagen. - Um so schöner, dass nun Dr. Andreas Klügel erwägt, nicht nur einen Piccolo kalt zu stellen. - Natürlich schwingt weiter wissende Vorsicht mit, aber es gehört zu den schönsten Dingen, die ich je von ihm gelesen habe:
Na, das sieht doch langsam so aus, als könnte man nicht nur den Piccolo, sondern bald eine richtige Flasche kalt stellen! Der niedrigste Tremor seit Eruptionsbeginn, alleine das gibt doch Anlass zur Hoffnung, auch wenn der Kerl immer wieder für Überraschungen gut ist. Morgen fliegt einer unserer Studenten für eine Woche auf die Insel; ich habe ihm schon geschrieben, dass er wahrscheinlich als Vulkan-Totengräber arbeiten kann...
Ja, die Erdbeben... Ich denke auch, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn die tiefen Beben verschwinden. Ich glaube immer noch, dass sie hauptsächlich durch die Entleerung der tiefen Magmenreservoire und damit einhergehende Kollapse entstehen. Die Ausdehnung oder Schrumpfung dieser Magmenkammern sieht man nicht unbedingt durch sich verändernde Deformationen an der Oberfläche, einfach weil sie so tief sind. Die flacheren Beben (um die 10 km Tiefe) dagegen können m.E. sowohl Ausdehnung durch neue Magmaschübe, als auch lokale Kollapse durch Entleerungen widerspiegeln. Diese Zone besteht möglicherweise zu großen Teilen aus "Kristallbrei" (d.h. 70 oder mehr Prozent Kristalle mit dazwischen befindlicher Schmelze) und ist geometrisch unregelmäßig und weit verzweigt, so dass das aufsteigende Magma sich mühsam hindurchbewegt und einige Zeit in dieser Tiefe verweilt, bevor es weiter nach oben geht. Keinesfalls scheint dies der Haupt-Speicherort des ganzen eruptierten Magmas zu sein, denn sonst müsste man bald einen starken Rückgang der gemessenen Aufwölbungen sehen. Ich vermute eher, dass die Aufwölbungen zum großen Teil permanent sein werden, weil nach einem Ausbruch immer einiges an Magma im System verbleibt, allmählich abkühlt und kristallisiert.
Auch der Rückgang der Eruptionstätigkeit kann dazu führen, dass das Magma in flacheren Teilen des Systems abkühlt, immer viskoser wird und schließlich erstarrt. Dadurch werden die Wege allmählich verschlossen, so dass ein kleinerer magmatischer Überdruck aus der Tiefe das Ganze nicht mehr aufreißen kann. Und ein größerer Druck aus der Tiefe dürfte erst dann entstehen, wenn sich wieder genug Material angesammelt hat... in einigen Jahrzehnten.
Es geht auch noch schmaler...
Quelle: IGN
Nur zum Vergleich, hier mal der Tremor vom 26.9.2021, also eine Woche nach Eruptionsbeginn
Quelle: IGN
Die Tremoramplitude lässt jetzt auch eine schöne Tendenz nicht mehr übersehen
Quelle: IGN
Gestern, tagsüber, viel Qualm, aber wir können nicht so recht die Lava verfolgen, wie sie den Kratern nach Westen, also hier rechts, nach unten fließt. - Sonst sieht man das tagsüber an einer grauen Rauchspur
Dass die Lava aber weiter runter fließt, das beweist dieses Bild von heute Morgen, welches den Bereich von unterhalb Cogote bis zur Montaña Todoque abbildet. - Aber es glüht weniger, als noch Tage zuvor
Das schönste Bild hat wieder mal Herbert Schaar hinbekommen, als Suchbild. - Wo ist der Abendstern?
Dienstag 09.11.2021 El Paso 18:30 Uhr
Mehr Beben, geringere Magnituden
Eine Insel mit zwei Bergen…
Neulich hat mich meine Frau schon mal darauf hingewiesen, dass La Palma doch gewisse Ähnlichkeiten mit Lummerland hätte. - Aber natürlich keine Eisenbahn, sehr zu meinem Leidwesen, also haben wir das wieder verworfen. - Jetzt kommt durch die Zuschrift einer aufmerksamen Leserin aber die Geschichte wieder auf den Tisch, denn da bietet sich der Nepomuk an, der Drache, dem das Feuer ausgegangen ist. Das wäre doch mal wirklich ein Name, allerdings braucht es wohl doch noch ein bisschen, bis auch unserem Vulkan das Feuer ausgeht. - Auch weiß ich nicht so wirklich, ob denn Michael Ende hier viel gelesen wird, aber ich kann es ja mal vorschlagen, wenn wieder mal danach gefragt wird. - Dabei sieht es weiterhin gut aus, nur die Beben bleiben zu viele und dort, wo wir sie nicht haben wollen. Es gibt weiterhin auch seismische Bewegung unter der 30 Kilometer Marke, allerdings sind die Magnituden nicht mehr so kräftig wie noch vor einer Woche. - Da müssen wir auch immer ein bisschen zur Geduld rufen, es schickt sich auch nicht, die Werte von einem Tag auf den anderen zu vergleichen, sondern um wirklich eine Tendenz festzustellen, muss man schon mindestens eine Woche, besser noch deren zwei heranziehen. - Der Tremor bleibt weiter im unteren Bereich, auch wenn ein kurzes Aufleben zunächst für Unruhe sorgte. - Das kann aber auch für Optimisten bedeuten, dass es ein Ausrutscher nach oben war und nicht der Dauerzustand ein Ausrutscher nach unten. - Natürlich geht uns das jetzt allen nicht schnell genug, da wir einmal den süßen Duft der Nepomukschen Abstinenz aufgenommen haben. Geduld, Geduld, das wird schon alles gut, auch wenn das den Leuten, deren Besitz und Zukunft bereits unter der Lava liegt, nicht mehr hilft. Deformation ist gleich geblieben, Gasemissionen leicht gesunken, auch die in Sachen CO2, Tremor bleibt klein, nur eben die Beben machen zwar nicht gleich nervös, aber spielen halt nicht nach den Regeln, die wir immer gerne aufstellen wollen. - Und das sollten wir doch nach 50 Tagen Vulkan längst gelernt haben, der, dessen Namen man nicht nennen sollte, einzig der macht die Regeln.
Eine neue Straße wird jetzt bereits gebaut, noch während der Vulkan auf Nepomuks Schicksal spuckt. - Eine Verbindung der LP 211 (Todoque - San Nicolás) zur LP 213 (Los Llanos - Puerto Naos) soll in die Pampa geschlagen werden und einen kleinen Anliegerweg in eine breite Straße verwandeln. - Wo genau da nun von der LP 211 der Weg hinab zur Straße nach Puerto Naos geht, das habe ich nicht verstanden, da werden in der Presseerklärung Namen genannt, welche irgendwie nicht richtig passen. - Aber das bekommen wir schon noch mit und diese Straße hat deswegen solch eine große Bedeutung, da sonst nur noch eine kleine Straße durch Bananenplantagen die Versorgung der Landzunge von El Remo, Puerto Naos und La Bombilla ermöglicht. - Mehr schlecht als recht, so dass ja schon die spanische Marine mit Landungsbooten helfen soll, was bislang aber noch nicht geschehen ist. - Klug hat man den Auftrag für diese Straße nun der Firma gegeben, welche ja durch bekannte Umstände nicht mehr an der LP2 weiterbauen kann. - 2,3 Kilometer Straße sollen das werden und man möchte das in nur einem Monat schaffen. Wenn das funktioniert, dann haben die die Preise hier auf der Insel für immer verdorben, denn so schnell ist noch nie hier eine Straße gebaut worden. - Sollte der Vulkan uns doch noch irgendwie dienlich sein, und sei es auch nur um zu sehen, dass alles auch noch schneller, solidarischer und robuster geht, dann bleibt vielleicht doch mehr Positives übrig, als wir im Moment begreifen wollen. - Gut, erst mal wollen wir sehen, ob das wirklich so schnell geht, dann jubeln wir denen zu und werden zukünftig allen Straßenbauern das um die Radlader hauen. - Allerdings gibt es immer weniger Bananen dort unten auf der Landzunge zwischen El Remo und Los Guirres zu versorgen, denn ein neuer Lavastrom hat inzwischen den knappen Vorbau genau an der Playa Nueva erreicht. Darüber hinaus scheint mehr Lava auch in den weiter südlichen Strom gelangt zu sein, so dass es doch noch weiter gehen könnte mit einem erneuten "Meerfall" der Lava aus dem Vulkan oben an der Cabeza de Vaca. - Bleiben wir geduldig, die Aktivität am Vulkan ist um ein vielfaches geringer, als noch vor einer Woche, das alleine reicht schon als Maßstab.
Der Tremor bleibt zartbitter
Quelle: IGN
Die Richtung stimmt
Quelle: IGN
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