Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell 30.10.2021 Vulkanausbruch

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Vulkantagebuch



30.10.2021 Tag zweiundvierzig der Eruption


Samstag 30.10.2021 El Paso 07:00 Uhr

Kein Wind aus nirgendwo
Aber Asche von überall


Irgendwie habe ich auch das Gefühl, die Asche und die dicke Luft filtern die Geräusche des Vulkans deutlich. - Wir können den Übeltäter kaum noch sehen, nur ein Stückchen rote Glut in einem Brei von Dunst, aber die lange Fahne an Lava, welche sich das Aridanetal hinab zieht, die zeugt vom weiterer zerstörerischer Tätigkeit. - Es ist so dicke Luft, dass sich der Feuerschein der Lava in dem Qualm über dem Tal spiegelt und gespenstische Eindrücke hinterlässt. - Die Messstation in El Paso reagiert auch darauf und mal sehen, welche Werte an SO2 wir den Vormittag über noch erreichen. - Wir haben ziemlich ruhig geschlafen, der Vulkan ließ das heute Nacht zu, als wüsste er genau, wie viel man den Leuten hier im Tal zumuten kann. - Heute also der doppelte Angriff mit Schwefel und Asche. - Besen und Masken sind angespitzt und aufgeladen, kann ich nur dazu sagen, aber meine Frau ist deutlich pragmatischer als ich und hält mich zumindest so lange vom Fegen ab, wie noch Asche vom Himmel fällt. - Wir hatten das ja kommen sehen, das Azorenhoch verdient weder den Namen der netten Inselgruppe noch das Hoch überhaupt, wer sich von jedem dahergelaufenen Tief beeindrucken lässt, der kann keinen Passat produzieren. - Das wird das ganze Wochenende so gehen. - Kein Unwetter, kein Tief mit Regen, sondern einfach kein Wetter überhaupt. - Das ist in Zeiten ohne Vulkan schlichtweg langweilig und vielleicht kühl, jetzt aber komplett daneben, weil die Asche nicht aufs Meer hinaus geschickt wird und die Stinkereien des Vulkans ebenso wenig davongeblasen werden. - Vielleicht Dienstag oder Mittwoch können wir wieder auf einen generellen Wetterwechsel hoffen, so lange dümpeln wir ohne Richtung so dahin. - Der Vulkan selbst produziert weiter reichlich Lava, auch ohne Blick auf den Kerl erkennt man das am dick gefüllten Tremor auf der Grafik des IGN und die schickt er weiter hinab Richtung Las Norias. - Die Karten halten nicht wirklich mit, so kann ich nicht verkünden, ob denn der neue Lavastrom sich auf der Höhe der LP213 mit dem alten Lavastrom vereint hat und diesen nun verstärkt, oder ob der Strom weiter parallel dazu auf Raubzug unter den dortigen Anwesen nördlich des Camino La Majada ist.

Es gab ein paar Beben weniger letzte Nacht, als noch die Nächte zuvor und die maximale Magnitude erreichte 4,1 in einer Tiefe von 37 Kilometern. - So etwas reiten wir auf einer Backe ab, zumal ein solch tiefes Hypozentrum auch noch viel von der Kante nimmt. - Darüber hinaus sind diese vulkanischen Beben kurz, also vielleicht drei Sekunden dauern die nur an, da fliegt bis 4,5 nicht mal ein Buch aus dem Regal. - Man erwartet immer noch mögliche Beben deutlich über 5, allerdings hat sich das bislang, Gott, oder wem auch immer sei Dank, nicht erfüllt. Andere Daten gibt es früh morgens noch nicht, aber eben die schlechte Luft macht uns zu schaffen und die Aussicht, den ganzen Tag über mit Ascheregen rechnen zu müssen hebt die Laune auch nicht wirklich an. - Aber wir sind dennoch die Privilegierten, die sich Gedanken darüber machen müssen, wie sie das Dach frei bekommen. - Wer kein Dach mehr hat, weil der Vulkan draufgespuckt hat, der ist in einer weniger kommoden Situation. - Auffallend weiterhin auch die Zahlen an Erstwohnsitzen in der zerstörten Gegend. - Es sind deutlich weniger, als angenommen, die meisten Wohngebäude dort waren Zweitwohnsitze, gewerblich genutzte Häuser wie Ferienwohnungen oder ganz einfach Investitionsschätzchen aus in- wie ausländischen Börsen. - Das erleichtert natürlich die Unterbringung derjenigen Menschen, welche tatsächlich keine weitere Unterkunft haben, da deren Zahl einfach nicht annähernd so hoch ist, wie zunächst anhand der derben Mengen der zerstörten Häuser befürchtet wurde. - Nein, ein Trost ist das nicht, aber es lindert ein bisschen den Druck auf die Behörden, welche mal eben so an die 200 Unterkünfte für mittel- oder langfristige Unterbringung aus dem Boden stampfen müssen. - Ich weiß, in manchen Architekturbüros werden schon Überstunden angekündigt. In Puntagorda und Garafía hat man die Raumordnungspläne schon wieder auf den Kartentisch gezerrt und auch in El Paso werden die Kataster gewetzt, denn nach jeder großen Katastrophe will doch jeder der erste beim Wiederaufbau sein. - Wundert mich eigentlich, dass die Chinesen noch nicht da sind…




Voller Tremor, volle Lavarinne
Quelle: IGN




Ein paar Beben weniger als gestern
Quelle: IGN




Dicke Luft kündigt sich für El Paso an
Cabildo Insular




Schon wieder ein paar Stunden alt, also nicht wirklich aktuell
Quelle: OpenStreetMap




Die Farben sind nicht verändert, der Qualm über dem dunklen Tal bildet das genau so ab





Samstag 30.10.2021 El Paso 18:00 Uhr

Wie hört sich eigentlich ein sterbender Vulkan an?
So weit sind wir doch noch nicht!


Die Daten! Die Daten! Schau auf die Daten. - Heute Vormittag habe ich tatsächlich gedacht, wir hätten das Schlimmste hinter uns. - Der Vulkan gluckste, explodierte schnodderig, echte Blitze mit wirklichem Donner schlugen über ihm herein und dann war er ruhig. - Geräusche gab der von sich, die hatten wir vorher noch nie gehört und Sie haben sicherlich auch aus der Ferne schon mitbekommen, dass solch ein Vulkan aus der Nähe meist genau so viel Eindruck mit seiner Geräuschkulisse macht, wie mit seiner Lava und den glühenden Gasen. - Alles war hinter einer verschwörerischen Qualmschicht verdeckt und ich hatte wirklich so die Hoffnung: Den haben wir geschafft, er sich an uns, wir uns an ihm abgearbeitet, der erholt sich nicht mehr der stinkende Drecksack. - Am frühen Nachmittag sehe ich dann wieder eine glühende Gasfahne und das bekannte Ausatmen des Vulkans, wie durch ein viel zu enges Ventil. - Lava kann ich nicht sehen, aber über der bereits seit Tagen funktionierenden Ablaufrinne steht weißer Rauch und das bedeutet, da fließt weiterhin Lava. - Also nichts gewesen mit sterbender Vulkanschwan, der lädt gerade nur nach, so wie den zweiten Montag im September, als der für ein paar Stunden wirklich still stand. - Ich weiß es nicht, aber die Daten sprechen alle für ein längeres Leben, nur will ich noch nicht daran glauben, dass ich mich erneut von dem röhrenden Ungetüm habe austricksen lassen. - Die Beben gehen weiter, wenige tiefe, aber dafür war ein 5,0 dabei und insgesamt meint man, das seien heute weniger gewesen als noch gestern. - Der Tremor lässt sich überhaupt nicht beeindrucken von meiner fixen Idee des nahenden Stillstands, im Gegenteil, er füllt die Anzeige schon fast wieder aus. - Wie das denn sein kann, wo der Vulkan doch komplett ruhig ist? - Gase, SO2 konnten nicht gemessen werden, CO2 steigt ein bisschen an und die Deformation, abgelesen bei "Up" an der LP03 bleibt gleich. - Also eigentlich ein 0:4 sogar, und so kann es eben kommen, wenn man seinen Sinnen nicht wirklich trauen kann. - Dabei könnte ich schwören, so wie heute, hat sich der Vulkan noch nie angehört und es war kein drohendes Grollen und Glucksen, eher ein bisschen zaghaftes und wehleidiges Klagen.

Verlassen wir die subjektive Schiene eines Hoffnungsschwangeren, denn der Vulkan zieht weiterhin sein zerstörerisches Werk im Süden durch. - Die Lava steht knapp nördlich von Las Norias und niemand scheint sie aufhalten zu können. - Ein Wunder wie im nördlichen La Laguna müsste her, aber schnell. - Knapp oberhalb Las Norias ist die Wohnung, oder besser Garage, auch schon von der Lava abgedeckt worden, wo ich das erste Mal überhaupt auf La Palma gewohnt habe. - Frühjahr 1977 war das. Oben wohnte Esther, eine bereits ergraute Schwedin, welche gerne die süß-sauren Linsen kochte und wohl 3 Schachteln XXX am Tag rauchte, also noch mehr als ich. - Ich wohnte unten in der Garage, karg, ein Raum, aber das Paradies vor der Tür und mit Anschluss an die Familie Horch, die mich seinerzeit auf die Insel gelockt hat. So hat das alles angefangen und nun ist das unter meterdicker Lava verschwunden und die vielen Nachbarn dort, welche sich später angesiedelt haben, denen droht das gleiche Schicksal wie den vielen anderen Häusern rund um Todoque. Wie meint Wolfgang Niedecken so schön: Wenn beten sich lohnen würde, was meinst du wohl, wie ich dann beten würde. - Natürlich auf Kölsch, aber das kann ich weder sprechen, noch singen und noch weniger schreiben. - Was dieser Vulkan der Insel schon alles angetan hat ist schier unbegreiflich und wie wir da wieder aus dem Schlamassel rauskommen, das weiß ich zwar noch nicht, aber wie ich uns kenne, klappt das schon irgendwie. - Wir schaffen das!







Kein Erbarmen, auch wenn wir was anderes zu spüren glauben
Quelle: IGN



Auch hier keine Unterstützung für Gutgläubige
Quelle: IGN




Diese Karte zeigt auch die Lage rund um Las Norias
Quelle: IGME - CSIC








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