Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell 30.09.2021 Vulkanausbruch

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Vulkantagebuch



30.09.2021 Tag zwölf der Eruption


Donnerstag 30.09.2021 El Paso 18:00 Uhr

Vom Düsenjäger zum Donnergrollen
Der Vulkan hat Charakter


Das Leben ist kein Kompliment. - Wenn man hier jemanden höflich als zickig beschreiben will, dann sagt man: Die oder der haben Charakter. - Meine beiden Töchter haben viel Charakter, wenn sie denn nur wollen und der Vulkan, mir fehlen die Worte. - Gegen Mittag brüllender Krach, beginnende Explosionen, dann so gegen 14:00 Uhr Teepause mit gelegentlichem Aufstoßen. - Jetzt ist das scharfe Düsenjägergrollen wieder durch ein fast rhythmisches Donnergrollen ersetzt worden. - Wir kennen diese Wechsel ja bereits, ohne dass ich irgendwelche Erklärungen finde, allerdings ist es jetzt viel ruhiger als noch Mittag und das alleine ist schon was wert. - Aber dafür hat der Wind, leider wie vorausgesagt gedreht, auf Südost und ist fast gänzlich eingeschlafen. - Jetzt regnet es seit gut 2 Stunden bei uns größere Körner, durchaus schon Lapilli, nicht mehr der feine Sand oder Staub, den die Vulkanasche die vergangenen Tage in Massen zu uns geschickt hat. - Der Vorteil dieses Zeugs ist, es lässt sich besser fegen. - Allerdings sind diese größeren Stückchen für alle Oberflächen brutal und auf jeden Fall sollte man sein Auto oder andere Dinge ganz vorsichtig von dem Zeug befreien. - Laubbläser wären da angesagt, wenn man denn noch einen ergattert hat. - Das größere Problem allerdings scheint die schlechte Luft zu sein, denn in Tazacorte ruft man die Leute schon auf, zu Hause zu bleiben, aufgrund erhöhter Werte SO2. - Hier oben bei uns bleibt diese Warnung noch aus, allerdings bleiben die Leute selbstständig meist im Haus, da einem selber klar ist, so gut kann das Zeug, welches diesen komischen Nebel erzeugt nicht sein. Leider funktioniert die Luftmessstation, welche über die Webseite https://volcan.lapalma.es erreichbar ist immer noch nicht, dabei wäre es doch gerade an solchen Tagen wichtig zu wissen was Sache ist. Darüber hinaus ist es schwül und warm und wenn ich im meinem Parka mit Kapuze und Maske dann irgendwelche Arbeiten verrichte, dann schwitze ich nach 2 Minuten und fluche charakterlich stark. - Aber ich weiß auch ganz genau, ich gehöre zu den Privilegierten, dass ich noch Dächer und Terrasse fegen kann, denn ich habe noch welche.

Seit dem späten Vormittag können wir den Vulkan gar nicht mehr sehen, so dicht ist der Dunst und Calima gleichzeitig und wieder verfluche ich das GFS, dass die immer recht haben müssen mit ihren Windrichtungen. - Morgen auch noch steht da gezeichnet, dabei würden schon ein paar Grad östlicher Erleichterung bringen. - Wir konnten jetzt nicht weiter beobachten, ob der Rauch, den ich auf den Fotos heute Morgen eingefangen habe, schon der Hinweis war, auf einen neuen Schlot. - Das können wir wirklich erst wieder sehen, wenn der Dunst weg ist und bis dahin versuchen wir in den Messtafeln und den Balkendiagrammen irgendwie zu entdecken, dass es besser wird und nicht schlechter. - Neu zeige ich eine Grafik, welche die seismische Gesamtaktivität, also Tremor und Beben auf einer Skala abbildet, um einen einfacheren Überblick zu haben als bei den Seismogrammen, welche bei einem Tremor komplett zugeschrieben werden. - RSAM (Real-Time Seismic-Amplitude Measurement) nennt sich das und könnte so ein bisschen als der Pulsschlag der vulkanischen Aktivität betrachtet werden. - Und glauben Sie bloß nicht, ich schüttele so was aus der Hosentasche, ich muss dazu Fachleute befragen und mich durch einschlägige Literatur boxen. - Dazu hatte ich ja heute Zeit, Garten, Fegen, Rumlaufen und Leute fragen, wie es ihnen geht, alles keine Option heute. Einen Link für ein Drohnenvideo habe ich noch, wo man das neue Land nördlich der Playa Nueva erkennen kann. - Da haben Carlos und Grecia ja noch mal Glück gehabt mit ihrem Kiosk und vielleicht können die ja bald die Terrasse deutlich vergrößeren. - und immerhin, seit fünf Stunden kein Beben mehr im Süden der Insel. - Wenn das mal keine gute Nachricht ist…




Das übliche Bild des Tremor, kaum Variationen, trotz des deutliche Geräuschwechsels




Hier nun das Real-Time Seismic-Amplitude Measurement vom IGN und da kann man den Ruhetag des Vulkan, den Montag 27.9.2021 deutlich ausmachen





Donnerstag 30.09.2021 El Paso 07:30 Uhr

Alltag versuchen
Kein Tempolimit auf der Lava-Autobahn


Das Leben ist keine Überholspur. - Gestern Abend habe ich mich das erste Mal seit langem um so lustige Dinge wie die Bundestagswahl gekümmert. - OK, gekümmert ist wohl nicht ganz richtig, aber ich habe mich eben auch mal wieder für andere Sachen interessiert, als für den stinkenden Kollegen etwas weiter südlich von uns. - Kleine Fluchten in das, was ich sonst mein Metier nenne, den Alltag. - Einkaufen gehen, mal nach Norden gucken, nicht immer nur nach Süden, den Kompost lüften und mit der Brut telefonieren. - In den meisten Teilen der Insel herrscht ja auch Alltag, allerdings wird dieser brüchig, je näher wir uns dem Aridanetal nähern. - Der Flughafen hat jetzt wieder offen, Dank der fleißigen Helfer und vor allem des Nordost-Passat, der auch hier bei uns so gnädig ist und die Vulkanasche jetzt zumindest in wenige Ecken weht. - Die Schulen sind in den meisten Gemeinden offen, in den drei Aridanegemeinden allerdings nicht. - In den Supermärkten gibt es alles, die Straßen, außerhalb des betroffenen Parameters sind frei. - Die Katastrophe findet physisch also sehr lokal statt, hat aber natürlich Auswirkungen auf die gesamte Insel. - Die Stimmung ist trotzig, siegessicher aber dennoch brüchig, selbst wer nicht, oder noch nicht Haus und Hof verloren hat, der ist angesichts der ständigen Gefahr zermürbt. "Hat es dich erwischt? " ist eine der häufigsten Fragen und dann ist man bemüht, sein Glück nicht zu euphorisch zu beschreiben, einer der privilegierten Nichtbetroffenen zu sein. - Wohl wissend, dass immer noch die Gefahr besteht, dass sich ein neuer Krater formen könnte und sich neue Wege durchs Aridanetal sucht.

Die Lava-Autobahn scheint jetzt zu funktionieren, ein zusammenhängender roter Feuerschein markiert die Rutschbahn der Lava über 6 Kilometer vom Krater hinab ins Meer. - Dort bildet sich ein Delta und was anfänglich sehr zügig vonstatten ging, "Island-Forming", das wird jetzt langsamer, denn weiter nach Westen wird es kaum gehen, der Atlantik wird schnell sehr tief vor unserer Küste. - Es dampft und zischt dort unten wohl gewaltig und man warnt die Leute ausdrücklich davon, auch nur in die Nähe der weißen Wolke zu gelangen, die wohl aus einem Gemisch von Wasserdampf und Salzsäure. - Weiter weg, keiner nennt allerdings Meter oder Kilometer, soll das Zeug aber nicht mehr gefährlich sein. - Konkret wird da keiner, genau so wie die Aussage des Krisenstabes, "die Luft ist gut auf der Insel" in Zeiten der ständig verfügbaren Daten doch ein bisschen blechern klingt. - So gelingt es mir nicht, der Luftmessstation in Los Llanos andere Daten abzuringen als vor ein paar Wochen. - Vielleicht bin ich ja auch zu Ü30 um das zu aktualisieren, aber noch ein bisschen mehr Transparenz beim nächsten Vulkan würde ich mir wünschen. - Mittag gibt es heute Gemüseeintopf aus dem Garten, nachdem wir aus akademischer Herkunft Grünes Licht erhalten haben, das Gemüse auch zu ernten. - Es könnte ein bisschen knirschen, schlecht für die Zähne, aber gut gewaschen sollte das für die Gesundheit keine negativen Folgen geben. - Einatmen ist schlecht, da sind sich alle einig und Maskenmuffel haben es auf der Insel plötzlich besonders schwer.

Der Vulkan war stabil in seiner Bereitschaft, uns nicht schlafen zu lassen. - Keine Explosionen über Nacht, aber eben Düsenjäger beim Start. - Bei näherer Betrachtung allerdings fällt uns auf, dass es inzwischen zwei für uns sichtbare Schlote für Gas und pyroklastisches Material gibt. - Knapp über dem, seit Tagen fleißig speienden Lavaschlund, hat sich ein zweiter Auslass gebildet, aus dem brennende Gase entweichen. - Ob sich nun ein neuer Krater bildet oder einfach nur rohe Kräfte viel Gestein bewegt haben, das weiß ich nicht. - Auf jeden Fall scheint sich weder die Menge der ausgestoßenen Lava noch die Gasemissionen verändert zu haben. - Jede Menge Zeug, um das mal alltagstauglich zu sagen. - Gleich geblieben ist auch der fragenumwobene Zustand um die weiteren Beben unter der südlichen Cumbre Vieja. - Seit ein paar Tagen bereits beobachten wir mit Ehr und Furcht die seismischen Bewegungen und sind uns nicht so wirklich klar, was das denn soll. - Etwa jede Stunde ein Beben, Stärken um die drei, Tiefen knapp über 10 Kilometer und die Epizentren liegen in einem Umfeld von vielleicht 3 Kilometer. - Die am häufigsten zitierte These lautet: Dort wird Magma aus den unteren Schichten nach oben transportiert, um dann über den jetzigen Krater ausgespuckt zu werden. - Das würde nach bauernschlauen Regeln bedeuten, so lange es weiter Beben im Süden der Insel gibt, ist an ein Abflauen der Eruption hier bei uns im Tal nicht zu denken. - Damit entlasse ich Sie in Ihren Alltag…




Ganz links der bereits bekannte Gasschlot, rechts daneben der neue, noch weiter rechts der Hauptauslass der Lava




Brilliante Karten gibt es immer vom Copernicus Erdbeobachtungssystem, allerdings nicht ständig aktuell




Deutlich schneller reagieren die vielen Hände, welche sich an Open Street Map beteiligen. Ganz interessante Kiste


Nachtrag 08:30 Uhr



Eben kann man erkennen, wie sich Qualm auf der Nordseite des Kraters aus der Flanke quält. - Enststeht dort ein neuer Auslass? - Wäre das eine Gefahr für den nördlich des momentan liegenen Lavastroms?




Das sind keine Passatwolken in der Mitte des Kraters, sondern Qualm








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