Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell April 2016




Freitag 08.04.2016
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Die Krise von hinten herum erklärt
Weniger Müll, Blaue Briefe und wenn die in Brüssel wüssten…

Leider beschäftigt uns der Inselmüll immer wieder, aber vielleicht ist es ja sogar angezeigt, besser über Müll zu schreiben als Müll zu schreiben. - Ganz sicher hat es viele positive Entwicklungen gegeben in Sachen Müllentsorgung und Sensibilisierung der Bevölkerung für nachhaltige Abfallwirtschaft in den letzten Jahren. Leider aber auch fatale Fehlplanungen, deren Kosten und Effekte wir heute noch nicht mal abschätzen können. - Gründe, warum ich heute erneut Müll auf den Tisch bringe, sind diverse Meldungen in dieser Materie, die zwar eigenständig daherkommen mögen, ich aber einfach mal zusammenbinden will. - Zunächst die Statistik des "Consorcio de Servicios de La Palma", der inseleigene Betrieb, welcher neben anderen Diensten, auch die Müllabfuhr stellt. Hier finden wir eine Blaupause zur Wirtschaftskrise bei uns auf den Inseln, denn vom Jahr 2008 an bis ins Jahr 2013 sank die jährliche Müllmenge, welcher dieser Dienst von den Abfallstationen abholte. Von 37.610 Tonnen im Jahr 2008 bis zu 26.867 Tonnen im Jahr 2013. - 11.000 Tonnen weniger, in fünf Jahren, oder 28%, klingt ein bisschen so, als wären wir Europameister in der Müllreduktion und bevor nun irgendjemand Goldmedaillen aus Recycling-Stoffen verteilen will, dieser Rückgang ist nichts anderes als der Spiegel des geringeren Konsums während der harten Jahre der Krise. - Dabei auch immer noch das Dauerthema, viele sind auch abgewandert, es bleiben einfach weniger "Müllproduzenten" auf der Insel und es wäre nicht das erste Mal, dass man den Wohlstand einer Bevölkerung an der Menge des produzierten Mülls messen will. - Dabei gibt es aber noch weitere nicht weniger semiperverse Wohlstandsindikatoren. Zement- oder Asphaltverbrauch pro Einwohner, je mehr, um so besser, Fuhrpark pro Bevölkerung und noch mehr solche faustdicken Dämlichkeiten, wobei man doch eigentlich den Wohlstand einer Bevölkerung eher an der Menge der Künstler, Ärzte und Lehrer pro Einwohner messen kann. - Aber das klingt schon wieder zu elitär oder vielleicht sogar naiv. Basiskapitalismus erklärt sich viel einfacher, weniger Müll stellt eine Gefahr dar und so meldet man auch noch als Entwarnung, dass man im Jahr 2014 bereits wieder etwas mehr Müll über die Insel fahren durfte, als noch im Jahr 2013.

Das Schlimmste scheint also überstanden! Die Müllmenge als Spiegel unseres Wohlstands, wie bescheiden wir doch geworden sind. - Ganz interessante Zahlen finden wir darüber hinaus, wenn wir mal die Müllmengen der einzelnen Gemeinden vergleichen. - Zwischen 250 Kilo und 400 Kilo pro Einwohner findet man in den meisten Kommunen, nur Breña Baja mit 432 Kilo und Fuencaliente mit 553 Kilo pro Kopf, zeigen Ausreißer nach oben. - 331 Kilo ist der Schnitt auf der Insel, das ist ein bisschen mehr als die Hälfte dessen, was ein Bundesdeutscher Bürger im Jahr produziert, nämlich 617 Kilo. Aber dennoch haben wir deutliche Probleme, uns dieses stinkenden Wohlstandsanzeigers zu entledigen. - Noch mal zurück zu den Kreisen Breña Baja und Fuencaliente. - In diesen Gemeinden finden wir eine hohe Konzentration an Hotelbetten gegenüber der Bevölkerungsanzahl, daher erklären sich die Ausreißer nach oben. So sind in Fuencaliente zum Beispiel, bei guter Auslastung, fast die Hälfte der Verbraucher dort Hotelgäste. - Diesen Müll fahren wir nun seit anderthalb Jahren zur inselweiten Müllverwertungsanlage "Complejo Medioambiental de Los Morenos" in der Gemeinde Mazo und dort wollte man nach Plänen, aus dem Jahr "Kurzvorzweitausend", den gesamten Inselmüll verwerten. - Damals erfand irgendjemand den wunderbaren Satz: "Es gibt keinen Müll, sondern nur mehr oder weniger stinkende Rohstoffe". - Man musste unbedingt die Mülldeponie im Barranco Seco schließen, Europa verfolgte uns damals mit Blauen Briefen, aber wenig alternativen Vorschlägen und so projektierte man eben diese Anlage, welche sich heute als völlig ungeeignet als Antwort auf unsere Entsorgungsanforderungen entpuppt. - Anstatt dort den anfallenden Müll zu trennen und der Wiederverwertung zuzuführen, deponiert man über 90% des Hausmülls. Dieser Umstand hat auch bereits zu einer Androhung des obersten spanischen Gerichtshofs geführt, man müsse alle Umweltgutachten neu erstellen, da diejenigen, welche nach der Jahrtausendwende Grundlage des Genehmigungsverfahrens waren, nicht dem jetzigen Zustand entsprechen würden. - Dumm, überfordert, ignorant, oder gar korrupt, ich weiß es nicht, welches Adjektiv sich die Planer des Gesamtmüllkomplexes der Insel aus diesen Jahren abholen sollten, auf jeden Fall keine nette Auswahl, zur Preisverleihung wird wohl eh keiner kommen, aber man könnte es vielleicht so ausdrücken: Nach jahrelangen Studien hat sich nun herausgestellt, dass nicht die Anlage in Los Morenos das Problem darstellt, sondern die Bevölkerung, da wir nicht den Müll nicht ausreichend vor der Abholung trennen.

Bevor nun jemand auf die Idee kommen mag, wir lassen die Anlage weiterlaufen und tauschen dafür die Bevölkerung aus, der 1. April ist bereits vorbei, also werden wir wohl mit beidem weiterleben müssen. Hauptproblem stellt die "Kontamination" des Restmülls mit organischen Stoffen dar. Hat wohl kein Planer seinerzeit damit rechnen können, dass wir auch die Kotlettenknochen und die Zwiebelschalen wegwerfen. So wendet man sich nun an die Bevölkerung, man solle doch bitte den Kram noch vor der Entsorgung trennen, damit die teure Anlage, auf die wir über 10 Jahre warten musste, auch was mit unserem Müll anfangen kann. - El Paso ist derzeit allerdings die einzige Gemeinde der Insel, welche nun Bio-Tonnen stehen hat. Das leider auch noch mit sehr geringem Erfolg, weil uns einmal in die Tonne getretene Probleme nicht mehr interessieren. - Vielleicht könnte man ja auch aus dem Müll eine Tugend machen. In vielen mitteleuropäischen Städten oder Kommunen macht man aus Müll in Kraftwerken Strom und wir haben doch vor ein paar Wochen gerade über ein anderes kleines Problem unserer Insel gesprochen. - Übrigens stammt diese Idee nicht von mir, sondern von einem Leser, auf der anderen Seite erinnere ich mich aber noch lebhaft an die Blauen Briefe aus Brüssel, in Sachen Müllverbrennungsanlagen auf der Insel. - Also haben wir endlich einen Schuldigen gefunden, die Europäische Union! - Deren Blaue Briefe sind daran Schuld, dass wir ganz überhastet und getrieben uns für ein untaugliches Müllkonzept entschieden haben. Kein Wunder, dass unsere Planer längst "Burnout" haben, nach nur 15 Jahren Planungzeit. - Und das hört nicht auf, nun heißt es auch noch, Madrid müsse Strafzahlungen an Europa leisten, weil wir den Barranco Seco zu spät geschlossen hätten. - Anstatt das im Jahr 2009 bereits erledigt zu haben, wurde die Deponie in der Schlucht erst im Jahr 2012 versiegelt und endgültig geschlossen und dafür gibt es jetzt ordentlich Ausmecker. - Die heutige Inselregierung hat mit der Vergangenheit dieser Problematik zwar nichts zu tun, allerdings wäre es nun ratsam, wirklich mal für die Zukunft ein annähernd nachhaltiges Konzept zu entwickeln. Jedes Mal von Blauen Briefe gejagt neue Schnappsideen in Sachen Müllverwertung in die Landschaft zu stellen.







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