Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell August 2016




Freitag 26.08.2016
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Wirres und zusammenhangloses Zeug
In vier Monaten ist Weihnachten - schon wieder vorbei


Kinder, wie die Zeit vergeht. - Hier feiert man ja keinen zweiten Weihnachtsfeiertag, vielleicht aus Barmherzigkeit, sonst bleibt die Verwandtschaft noch länger. - Aber noch habe ich keine Turrones oder gar Lebkuchen in den Läden gesehen und auch hat mir bislang noch keiner ein Los der Weihnachtslotterie angeboten, obwohl diese Lose schon im Verkauf sein müssen. - In den letzten Jahren kam es wohl vor, dass der San Martín eher Lebkuchen und Stollen im Angebot hatte, als endemisches Weihnachtsgebäck, mal sehen ob der Laden unter der neuen Leitung ähnlich reagiert. - Allerdings besetzt ja der Lidl nun seit fast vier Jahren (Kinder, wie die Zeit schon wieder vergeht) den Sektor Teutonenfood ziemlich robust und da wunderte es manchmal schon, wie andere Läden mit Bohneneintopf als Nassfertiggericht (so heißt das wirklich) und Stollen der Marke Industriestolz auf Residente, Brezeldiebe und Inselgäste zielen.

Wobei ja Lidl den Sinn des Wortes Brezeldieb abgeschafft hat. La Palma ist keine Diaspora mehr für Laugengebäck und wer in den richtigen Läden einkaufen geht, der findet bis zu sechs verschiedene Sorten Weizenbier. Vielleicht sieht ja eine stille Übernahme an Leitkulturen auch so sympathisch aus, ich weiß es nicht genau. - Früher, als alles anders war, und nur manches besser, da riefen sich konspirative Einkaufsklüngel gegenseitig an, um mitzuteilen, dieser oder jene Supermarkt hätte eine neue Lieferung Gries bekommen, Schattenmorellen oder Rollmöpse. Man hätte die letzten drei Gläser rohen Sauerfisches hinter der gesalzenen Butter versteckt, damit andere Elemente mit Migrationshintergrund das nicht gleich im Vordergrund haben. - Natürlich kam der Anruf erst, als man selbst den Mops bereits im Trockenen hatte, aber immerhin, vielleicht reicht das ja beim jüngsten teutonischen Gericht für einen Persilschein in der Spruchkammer. - Wer nicht in den engen Kreis der Konspiration gehörte, aus welchem Grund auch immer, den beglückte man dann später auf der Straße mit dem Hinweis: Neulich gab es wieder Rollmops beim San Teutón, ich hätte dich ja angerufen, aber es war nur noch ein Glas da. Falls du wieder mal Schattenmorellen entdeckst, du hast ja meine Rufnummer. - Anrufe, die niemals kommen und Rollmops schmeckt viel besser, wenn er selten kommt, konspirativ ist, und sonst keiner ein Glas abbekommen hat.

Vielleicht definiert sich ja deutsche Leitkultur auch ein bisschen über den nicht gegessenen Rollmops. - Wenn ich aber daran zurückdenke, wie unsolidarisch man mit diesem deutschesten Sushi aller Klassen umgegangen ist, dann glaube ich immer noch, hinter jeder Lieferung Glückmops steckte eine Studie der Vereinten Nationen. Ob denn von den Deutschen erneut eine Gefahr ausgehen könnte, wenn man die beiden Landesteile wieder gemeinsam Sauerfisch produzieren lassen würde? - So lange ist das her, länger als Weihnachten und die UNO geht davon aus, keine Gefahr mehr durch ein gemeinsames Deutschland, danach hat man Gorbi losgelassen und der Rest, der ist Geschichte. - Eine Geschichte könnte also erzählen, die deutsche Wiedervereinigung wurde anhand der Beobachtungen des Rollmopskonsums auf La Palma erst möglich und kratzen Sie sich ruhig am Kopf. Jeden Tag stehen in der Zeitung reichlich Dinge, die viel abstruser sind, als meine wirren und zusammenhanglosen Geschichten. - Oder verstehen Sie noch, warum unsere Freunde auf diejenigen Bomben werfen, denen wir Waffen liefern? - Also dort, noch hinter Afrika, oder wie das früher hieß, gleich hinter Geiselhöring links.

Aber vielleicht hat mein beschränkter Horizont schon damit zu tun, dass mein Migrationshintergrund langsam verblasst und mich Dinge außerhalb des Wendekreis des Gofios kaum noch interessieren. - Neulich habe ich meine Brut zum Strand gefahren, ich selbst gehe da ja nicht hin. - Im Sand liegen ist mir unangenehm, der Atlantik sowieso gefährlich und darüber hinaus hat das ästhetische Gründe und ich war eigentlich froh, als das mit dem Burkini aufkam. - Das wäre in den meisten Fällen eine deutliche optische Verbesserung, für die Kerle würde man oben das Kopftuch zur Schirmmütze umarbeiten, wahlweise vorwärts oder nach hinten gewandt zu tragen. - Aber ich hatte das falsch herum verstanden, die abendländische freiheitliche Grundordnung wird jetzt nicht mehr am Hindukusch, sondern am Strand verteidigt und manchmal muss man da einfach durch, oder eben zu Hause bleiben. - OK, hat sicherlich auch Vorteile, muss man zukünftig nicht mehr so weit fahren.

Da wird der Fernseherapparat immer größer, aber der kognitive Horizont wächst leider nicht kongruent mit. Darum "Scripted reality" und man muss ganz genau hinsehen, ob das nur im Prekariatsfernsehen der Privatsender stattfindet, oder auch, wie gemein, bereits in den Öffentlich Geregelten Anstalten. - Da haben wir das hier deutlich einfacher. Wasserdurchlaufsrechte, Bananenpreise, die Lokalpolitik weiht ein Bushäuschen ein, wann und wo welche Fiesta. Wenn ich dann ganz aufmerksam abends gen Westen auf den Horizont achte und meine Ohren spitze, dann höre ich manchmal sogar den Orinoco in den Atlantik fließen. - Nein, ich habe weder was geraucht, noch getrunken, absolut keine Notwendigkeit dafür, meine Sinne sind so klar wie selten. Sonst wäre es doch auch gar nicht möglich, dieses ganze wirre und zusammenhanglose Zeugs auch nur annähernd zu verbreiten.





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