Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell Dezember 2016




Samstag 31.12.2016

Höchsttemperatur heute 23,9 Grad - niedrigste Temperatur 15,0 Grad

Sylvester im Pyjama
Wer nicht bis zwölf zählen und bleiben will...


Einen gewissen Bildungsauftrag wollen wir auch gerne noch erfüllen. - Zwölf Trauben werden verzehrt, zu jedem Glockenschlag der Kirchturmuhr eine, so wird in Spanien das Neue Jahr begrüßt. - Das soll Glück bringen, und eigentlich sollte sich jeder an die lokalen Kirchenglocken halten, aber seit einem halben Jahrhundert bereits überträgt das spanische Fernsehen die zwölf Glockenschläge der Post an der "Puerta del Sol" und wer nicht gerade auf den Kanaren lebt, der schluckt die süßen Trauben im Takt madrilener Beamter. - Hier auf den Kanaren fängt ja erst eine Stunde später das Neue Jahr an und bei uns werden die Uhren der Kathedralen von Las Palmas und La Laguna gezeigt. - Danach geht es, im Kleinen Schwarzen, oder im dunklen Anzug mit weißem Hemd auf die Straßen, auf der Westseite La Palmas, im Aridanetal bevorzugt nach Los Llanos auf die Plaza und dort wird dann im wirklich feinen Zwirn das Neue Jahr bis in die Grauen des Morgens begrüßt. - Feuerwerk hält sich in Grenzen, dennoch ist auch bei uns diese Nacht für Tiere der reinste Horror, aber überhaupt nicht zu vergleichen mit städtischen, bürgerkriegsähnlichen Zuständen, wie ich das mal in Berlin erleben durfte. - Als Berlin noch gut behütet war, mit einer Mauer drum herum, so wie das sich heute wieder viele zurückwünschen. - Privates Feuerwerk ist hier eh nicht erlaubt, allerdings kommt auch keiner und haut einem was auf die Finger, aber man sollte das eh besser sein lassen, sowieso weil seit Tagen die Luftfeuchte tief im Keller sitzt und ein Deutscher im Knast auf La Palma wegen Zündeleien reicht völlig aus.

Interessant bei diesem Ritual mit den zwölf Trauben ist auch, ähnlich der globelan Verarschung mit dem Santa Claus, dass es sich dabei nicht um irgendein bäuerliches, oder gar kirchliches Brauchtum handelt, sondern um eine sehr erfolgreiche Werbeaktion. - Hier war es allerdings nicht der Hersteller der süßen Brause, sondern ein Werbetrick der Weinbauern aus Alicante. - Die hatten im Jahr 1909 wohl eine solche Rekordernte zu verzeichnen, dass man die Trauben niemals allesamt verkaufen konnte, und so verteilte man diese als "Glückstrauben" zum Jahreswechsel. - Das verselbstständigte sich dann aber im Laufe der Zeit, und heute gibt es Weinbauern in Spanien, welche ihre gesamte Ernte an spätreifen Aledo-Trauben nur für diese eine Nacht kultivieren. - Zu jedem Glockenschlag eine, sonst verlässt einen das Glück, so schwer und gesellschaftstragend können ehemalige Werbeaktionen sein, eben wie die Geschichte mit dem Santa Claus. - Ganz pragmatische Zeitgenossen schütten sich übrigens die zwölf Trauben gleich kompakt als gegorene Flüssigkeit in den Rachen, allerdings ist es schon deutlich kommunikativer und einfach lustiger, zusammen mit ganz vielen anderen Menschen im Takt der Zeit Trauben zu "zuzln". - Inzwischen gibt es die Glückstrauben übrigens schon abgezählt als Konserve zu kaufen, aber man muss ja nicht immer gleich alles mitmachen, was die Lebensmittelindustrie einem vorschlägt. - Vielleicht sollten wir hier auf La Palma aber mal auf die Idee kommen, anstatt die Weinbauern von Alicante zu unterstützen, an unsere eigenen Bananenbauern denken. - Allerdings stelle ich mir das schon ein bisschen komplizierter vor, 12 Bananen, und dann noch im Takt der Kirchturmglocken zu verputzen, aber was macht man nicht alles für seine Insel…

Einen anderen Brauch, und da weiß ich nicht, ob der auch als versteckte Werbekampagne herkommt, gibtes auch noch zu beachten, das Tragen von nagelneuer Unterwäsche zur Sylvesterfeier. - Natürlich lebt die Konfektionsbranche auch nicht schlecht mit diesem Brauchtum, man müsse sich nur mal vorstellen, wenn es Brauchtum wäre, jeder müsse sich zu Sylvester ein neues Auto kaufen. - Vielleicht macht man das ja in Abu Dhabi so, oder in Dubai, hier tut es eben, neben 12 Trauben, auch eine neue Unterhose und diese bitte in Rot. - Nur das bringt Glück und warum und wieso, das weiß ich nun wirklich nicht, es ist halt so. - Man kann aber auch gelbe Unterwäsche tragen, das soll einen (neuen) Partner anlocken und da wissen wir ja, das hat nicht immer und unbedingt mit Glück zu tun. - (Wobei das mit der gelben Unterwäsche im Feinrippmilieu auch krustenbildend missverstanden werden kann, nagelneu sollen die Schloggies schon sein!) Ganz pfiffige und durchtriebene Zeitgenossen sollen auch schon mal mit gelbrotem Infit (Outfit wird doch außen getragen) erwischt worden sein, - was für ein Glück da zu erwarten ist. - Nicht überliefert ist die Geschichte, was denn die gescheckten Unterhosen mit dem so genannten "Rallye-Streifen" bringen, oder ob rote Stringtangas nun wirklich weniger Glück bringen, als gleichfarbige Boxershorts, halt einfach der Masse wegen. - Auf jeden Fall bringen Unterhosen mit mehr Stoff nicht unbedingt mehr Glück, aber sicher weniger Blasenentzündung und das ist doch auch schon was. Ebenso konnte ich nicht eruieren, ob es denn rote lange Unterhosen gibt, dann wäre auch für ganz verfrorene Zeitgenossen in kalten Wintern auf der Plaza Chancengleichheit gegeben. - Allerdings ist es dieses Jahr recht warm, also doch keine Tinder-Killer tragen, wie man die Unaussprechlichen, die Schiesser Tausendsassa lang und grau, wahlweise mit oder ohne Eingriff, in diesem Jahrtausend wohl auch nennt.

Wohl dem, der Feiern lassen kann. - Vielleicht war das, neben anderen, höchst egoistischen Gründen auch einer der Hintergedanken, welche mir Nachwuchs angedeihen ließen. - Ich muss nicht mehr weggehen, ich kann das der jüngeren Generation überlassen, und dabei sogar noch den Großzügigen markieren. - Ich erinnere mich noch an so peinliche Situationen, mit Bleigießen, Käseigeln und diese saudummen Hütchen aus Pappmasche. Da gab es als Alternativen nur, Besaufen oder Einschlafen, und je älter ich werde, um so häufiger kommt Zweiteres vor dem Ersteren. - Heute bin ich bekennender Sylvesterschläfer, gerne auch komplett nüchtern. - Wenn die den ganzen Scheiß eh machen, ohne mich zu fragen, also das mit Krieg, Cholera und Mehrwertsteuer, dann muss ich doch auch nicht bis Mitternacht aushalten, bloß um dem nächsten Umlauf gleich von Anfang an auf ethylisch verzerrte Synapsen zu klopfen. - Mag sein, dass oft versucht wird, so etwas in meinem Alter mit beginnender Weisheit zu verkaufen, aber Sie sollten mich eigentlich über die Jahren so weit kennen, dass solch plumpe Abfolgen nicht mein Ding sind. - Ich nehme mir einfach das Recht heraus, nicht mehr alles mitzumachen, was gesellschaftlich eigentlich gefordert wird. - Und mal so ganz unter uns, wir sind morgen, also nächstes Jahr, sicherlich nicht knackiger als heute, allerdings kann es gut sein, dass ich morgen früh, also nächstes Jahr, ein bisschen frischer bin als Sie. - Zumindest früh morgens… Ansonsten wird es mir eine Ehre sein, morgen, also im kommenden Jahr, auch wieder an Ihrer Seite schreiben zu dürfen!


Zu Sylvester sind die Läden auf La Palma voller Weintrauben





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