Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell November 2016




Freitag 18.11.2016
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Wie kommt der Hirsch nach Puntallana?
Irgendwie sind wir doch Afrikaner


Irgendwie sogar alle, auch Donald und seine weißen Bauern aus "The Middle". Aber meist reicht historisches Gedächtnis eben immer nur so weit zurück, wie es gerade nicht peinlich ist. - Früher, als alles anders war, und nur manches besser, da dachte man ja, eigentlich hoffte man es sogar, dass die Ureinwohner der Kanaren irgendwas mit Atlantis zu tun hätten. Oder mit nordischen Seefahrern, welche blonde Hünen und heldenhafte Menschen auf den Kanaren abgesetzt hätten. - Gedanklich war man da ziemlich frei, denn es stand den Eroberern unter der Spanischen Krone, aber auch bei den anderen gekrönten Feldzügen nicht unbedingt im Vordergrund, sich um das Schicksal der Besiegten zu kümmern. - Und schon gar nicht, darüber zu berichten und ein bisschen muss man das aber relativieren, damals berichtete man so gut wie überhaupt nichts, denn Wissen war immer schon Macht und Macht macht meistens dann Ärger, wenn Andere auch was wussten.

So gesehen leben wir in wunderbaren Zeiten. Heute wissen wir Dinge, noch bevor sie überhaupt geschehen sind, und sind dabei, wenn Wahrheiten geboren werden. Auch erfunden, verworfen und wieder auferstehen, und müssen dabei maximal fremde Gedanken teilen, also nicht mal selber denken. - So viel will ich ehrlich gesagt auch gar nicht wissen, zumal heute das Denken, wie auch Wahrheiten gerne mal ausgelagert werden. "In die cloud und so" und wirklich anstrengend wird das Ganze ja vor allem für Populisten, welchen gar nichts anderes übrig bleibt, als alles unter Lügenpresse und Lügennetz zu katalogisieren, da ja jeder jeden Moment an jede Wahrheit kommt. - Ich würde allerdings gerne wissen, wann die Schokolade endlich wieder billiger wird und woher denn nun der versprochene Hirsch aus der Überschrift kommt.

Wir waren schon mal näher dran am Hirsch. Noch bevor mich dann die Wahrheitscloud wieder bewölkt hat, und aufgetaucht ist auch kein kompletter Hirsch, sondern die DNS eines Stirnwaffenträgers der Familie "Cervidae". Und das auch nicht in Lebensgröße, sondern an der Kleidung einer mumifizierten Leiche eines Ureinwohners der Insel. - Die Archäologie auf La Palma ist reichlich jung, in der Franco-Ära war es überhaupt nicht gerne gesehen, dass man sich hier auf den Inseln mit anderen Dingen, außer dem iberischem Erbe beschäftigt hat, und selbst nach dem Übergang dauerte es noch Jahrzehnte, bis man das Interesse an der vorspanischen Zeit, der "Era prehispanica", alltagstauglich machte. Dabei ist das auf den Kanaren gerade mal gute 500 Jahre her, nach mitteleuropäischem Zeitgefühl also fast noch Neuzeit, aber wer die Ureinwohner der Insel/Inseln wirklich waren, und was die bewegte, darüber weiß man weniger, als über die Ägypter und Karthager. - Und auch weniger als über die Phönizier und die Römer, und gerade bei den beiden Volksgemeinschaften liegt, oder liegen wohl auch die Ursprünge der ersten menschlichen Besiedlung der Kanaren.

Und ab jetzt wird es spannend bis löchrig, denn bis heute weiß man nicht genau, wann denn die erste Besiedlung der Kanaren überhaupt stattfand. - Und es waren eben keine blonden Hünen der Wikingerklasse, welche die Insel übernahmen, sondern wie man jetzt weiß, Berber aus dem heute südlichen Libyen. - Allerdings nicht, weil diese Berber das so wollten, sondern weil eben, entweder die Phönizier, oder die Römern, oder eben beide, mit entsprechendem Abstand, diese Berber auf den Inseln aussetzten. - Auch warum ist noch nicht ganz klar, mal tendiert man zu der These, es sei Verbannung, weil die Berber nicht so wollten, wie deren Herren, mal heißt es, man habe die Inseln besiedeln wollen, um eben für zukünftige Expeditionen dort in Richtung unbekannte Welt einen Brückenkopf in Sachen Versorgung zu haben. - Sicher ist, es kamen diese Berber, mitsamt Ziegen und wohl auch Hunden, eben als "Fracht" der Römer oder Phönizier. Aber weiter unklar ist, wann denn die einzelnen Inseln besiedelt wurden und ob es zwischen Besiedlung und der Hispanisierung Austausch der Bevölkerung der einzelnen Inseln untereinander gab.

Ein Glück für La Palma ist, dass man inzwischen hervorragende Archäologen vorweisen kann, wie zum Beispiel das Eigengewächs Jorge Pais Pais. Der ist unermüdlich auf der Suche nach neuen Fundstätten, und noch mehr, diese vor dem neugierigen Zugriff unprofessioneller Hände zu schützen. - Auch Glück für die Archäologie der Insel ist, dass La Palma schwach besiedelt ist im ländlichen Raum und es eben viele Regionen gibt, welche vom menschlichen Zugriff breit verschont wurden und somit viele Fundstätten tiefe Einblicke erlauben. - Und nun die Ergebnisse der DNS-Proben einer Grabstätte bei Puntallana und siehe da, eine der mumifizierten Leichen war in eine Decke gehüllt aus Hirschfell, zumindest geben das die Analysen so her. - Aber es gab nie Hirsche auf der Insel, also vierbeinige Tiere der Familie Cervidae, also geht man davon aus, dass man hier einen Erstbesiedler gefunden hat, oder nahe dran an einem solchen ist.

Allerdings stellt man sofort die Gegenfrage, gab es denn Hirsche dort, wo heute das südliche Libyen ist und es heißt ja, dort hätte es solche Tiere früher gegeben. - Andere These lautet, dieses Hirschfell sei eine Gabe der Römer oder Phönizier gewesen, oder aber man hätte bei der Probenahme, oder im Labor, oder auf dem Weg dorthin geschlampt, und die Hirsch-DNS ist da irgendwie zufällig hingekommen. - Aber das glaubt man nicht, sondern hofft natürlich nun auch, einen der ersten Siedler der Insel gefunden zu haben, welcher noch seine mitgebrachte Decke bei sich hatte in den letzten Stunden. - So also könnte der Hirsch nach Puntallana gekommen sein, denn als Großwild auf der Insel gibt es ausschließlich die Mähnenschafe, und auch die sind von Menschen auf die Insel gebracht worden, allerdings ein paar tausend Jahre später, als das Hirschfell. - Wer sich also auf Hirschgulasch zu Weihnachten gefreut hat, der muss trotzdem nicht enttäuscht werden, die teutonafine Versorgungseinheit Lidl hat so etwas sicher bereit, und man muss auch nicht selbst jagen gehen und dem Tod ins Auge sehen, sondern kann das würzige Fleisch ziemlich abstrakt, vielleicht sogar noch ohne anzufassen, aus dem Kochbeutel drücken. - In zweitausendfünfhundert Jahren finden Archäologen im Magen einer Mumie auf La Palma Hirschfleisch, und schon wissen wir, wie das denn passieren konnte.





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