Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell September 2016




Dienstag 20.09.2016
Höchsttemperatur heute 23,8 Grad - niedrigste Temperatur 18,0 Grad

Sieben Jahre und kein bisschen weiter
Herbstwetter und riesiges Medieninteresse am "Böllerprozess"


Jede Woche ein Grad weniger und wir schütteln uns morgens ziemlich genau bei 18,2 Grad. - Da fängt es an, kalt zu werden, zumindest für uns temperaturempfindliche Subtröpler. (So ein scheußliches Wort, welches mir da aus der Tastatur gequollen ist…) - Ich weiß auch, die Finnen reißen sich bei 18,2 Grad die Kleider vom Leib und wir rufen fast den Ausnahmezustand aus, nennen wir den mal Herbst. - Seit Anfang Juli das erste Mal, dass wir morgens gegen 09:00 Uhr die 19 Grad noch nicht erreicht haben, wo soll das noch hinführen. - In den Herbst und dann in den Winter und im Moment sinken die Temperaturen ein bisschen zu schnell für unsere Gewohnheiten. - Ansonsten herrscht weiter die, immer wieder erstaunliche Stabilität unseres Azorenhochs, welche uns bereits seit dem Frühjahr nicht mehr loslässt und uns jetzt bereits fürchten lässt, dass auch dieser Winter wieder sehr trocken werden könnte. - Tanzt das Azorenhoch seinen Namen, wie manche vielleicht sagen würden, dann können uns keine Tiefs aus dem Westen erreichen. Ganz einfach weil das Hoch alle Tiefs so weit nach Norden schiebt, dass nach der Atlantiküberquerung dieser Zellen immer die Britischen Inseln und Mitteleuropa das Ziel sind und die Kanarischen Inseln keine Niederschläge aus Tiefdruckgebieten, und daher aus dem Westen, erreichen können.

Dagegen sprechen Bauernregeln und Hoffnungen. Für viele natürlich wichtiger als Wetterdiagramme, nach einem heißen Sommer folgt meist ein regenreicher Winter. In ein paar Tagen feiert man ja den Jahrestag das San Miguel Arcángel, also des Schutzpatrons der Insel, und da treffen sich ja alle Inselgrößen in Tazacorte und handeln mit dem Erzengel die Zukunft der Insel aus. - Erwachsene Männer und Frauen erbitten von einem Engel wirtschaftlichen Aufschwung und Prosperität. Das war bislang wirklich so, allerdings hat der Sozialist Anselmo Pestana, der ja nun seit ein paar Jahren die Bettlerrolle übernommen hat, das verbal schon ein bisschen verweltlicht. - Aber man spekuliert bereits, ob denn unser Inselpräsident Ende September bei der öffentlichen Audienz mittels eines Gottesdienstes tatsächlich den streitbaren Michel um Regen bitten wird. - Ich weiß nicht so genau, ob Anselmo jetzt bereits am Text feilt, um das noch besser hin zu bekommen, allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass er täglich den Wetterbericht für die kommenden Wochen studiert und da feststellen muss, im September wird das wohl unwahrscheinlich mit Regen. - Dann hätte er das gar nicht erwähnen müssen, so bleibt das aber spannend, ob der Sozi beim Erzengel um Wasser bittet.

Um Wasser haben wir auch gebetet im August 2009, der Sommer, welcher in den Spitzenwerten sogar noch heißer war, als dieser. - Der heftige Waldbrand im Osten und Süden der Insel damals beschäftigt uns nun plötzlich deutlich mehr, als das ähnliche Ereignis von vor sechs Wochen und Unterlage dafür ist, der Prozess gegen die drei Angeklagten in Sachen fahrlässiger Brandstiftung vor nun mehr als sieben Jahren. - Die Presse ist mit großer Präsenz dabei, wohl auch noch angefeuert, durch die zeitliche Nähe des diesjährigen Großfeuers, und dem Umstand, dass man auch zu diesem Feuer einen "Zündler" vorweisen kann, mit perfekter Passform als Schuldigen. - Dieses Jahr noch viel besser (Hippie-Faktor), als im Falle des Brandes im August 2009, denn nun stehen die drei "Fiestavorsitzenden" vor Gericht, also diejenigen Bürger, die damals die Arbeit und Verantwortung übernommen haben, das alljährliche Fest dort in Tigalate in der Gemeinde Mazo zu organisieren und zu begleiten.

Es wird vermutet, dass das Feuer im Jahr 2009, welches übrigens von der genannten Ausbreitung etwas kleiner deklariert ist, als der diesjährige Brand, aber von den materiellen Schäden eben viel größer, durch Böller ausgelöst wurde, welche üblicherweise auf La Palma bei Fiestas gezündet werden. - Das ist Tradition, warum eigentlich, darüber sind sich die Leute auch gar nicht einig. Mal heißt es, Böller seien wichtig, böse Geister zu vertreiben, was natürlich bei christlichen Fiestas überhaupt keinen tieferen Sinn macht, andere sagen, die Böller sind dazu gedacht, jedem Nachbarn zu signalisieren, wo denn die Feier stattfindet und kommt doch alle her. - Krach machen kann auch einfach nur ein Ausdruck purer Lebensfreude sein, man beachte dabei das Wort kann, aber nicht muss. - In wirklich aufwendiger Weise wurde nach dem Feuer untersucht, wobei Kriminalpolizei, Spezialisten der Inselregierung und auch Lokalpolizei nicht immer auf der gleichen Spur waren, aber die Kriminalpolizei (Policía Judicial) liefert natürlich die gerichtsverwertbaren Spuren und da ist man wohl ganz der Meinung, es wären Böller gewesen, oder zumindest einer dieser Feuerwerkskörper, welcher das Feuer ausgelöst hätte.

Das Feuer sei zwischen 22:50 und 23:00 Uhr ausgebrochen, welch konkreter und knapp bemessener Zeitraum nach sieben Jahren, und die Verantwortlichen der Fiesta sagen deutlich aus, nach 18:00 Uhr hätte niemand mehr von ihnen einen solchen Böller abgeschossen. - Darüber hinaus gibt es ja auch noch den bemerkenswerten Umstand, dass nach Tagen der Hitze und des scharfen Windes bereits von der Inselregierung Tage zuvor ein inselweites Verbot ausgesprochen wurde, solche Böller überhaupt zu zünden. - Die Verantwortlichen der Fiesta wussten das angeblich aber nicht und wurden auch nicht von der Gemeinde darüber informiert, dass man keine Böller abschießen darf. - Ob das glaubhaft ist oder nicht, wer weiß das schon, aber man hat über 40 Zeugen geladen und wird dazu mehrere Tage brauchen. - Die Staatsanwaltschaft fordert über sieben Jahre Freiheitsentzug und Entschädigungen von mehr als 10 Millionen Euro. Die allermeisten von uns fragen sich in dem Moment allerdings , ob man hier denn nicht mit Böllern auf Atomraketen schießt, um den Spatzen mal einen freien Abend zu gönnen. - Und das Ganze als Kompott sieben Jahre nach dem Vorfall, also mit Zeugen, die einen eisernen Erinnerungsfaktor brauchen.

Das, für unsere Verhältnisse ganz unübliche große Medieninteresse an einem solchen Prozess, macht das Verfahren für die Beteiligten sicherlich nicht einfacher. - Allerdings könnte man auf diese Art und Weise auch die größtmögliche Transparenz und Wahrheitsfindung erwarten. - In diesem Fall können eben nur unter öffentlicher Beobachtungen Dinge oder Vorfälle einfach unter irgendwelche Teppiche gekehrt werden. - Als juristischer Laie habe ich keine Vorstellung davon, ob ein Staatsanwalt mit seiner Knastforderung bei einer fahrlässigen Brandstiftung nicht ein bisschen weit ausholt. - Ob die drei Angeklagten das Feuer ausgelöst haben, das wissen wir natürlich überhaupt nicht. Es ist neu, dass solch heftige Strafen gefordert werden und ich persönlich denke dabei einfach nur, bloß nicht in den Knast, man kann doch solchen Leuten nicht das Leben versauen, weil man das gemacht hat, was alle anderen auch immer schon gemacht haben. - Damit sind wir aber genau beim Thema, welches uns in vielen Momenten auch wieder zu Gegenteiligem anspornt und unserer, im täglichen Alltag permanent begleitenden Mehrfachmoral mit Ersatzmagazin für Argumente und Vorverurteilungen den Spiegel vorhält. - Mich eingeschlossen, obwohl ich mit zunehmendem Alter kaum noch Spiegel im Haus habe... - Wir sind natürlich gespannt, wie das weitergeht mit dem Prozess und vielleicht erwirkt diese ganze mediale Aufmerksamkeit ja wirklich was Positives und man verzichtet irgendwann mal darauf, bei jeglichen Festen diese absolut unnötigen und saudummen Böller abzuschießen.


Es gehört zum guten Ton, solche Böller zu verschießen. - Auf jeder Fiesta, auf jeder Prozession. - Allerdings sind diese Folterinstrumente nicht nur für Tiere eine Katastrophe, sondern die können auch Brände auslösten

Mehr sieht man meist nicht von solch einem explodierenden "Volador"





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