Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell September 2016




Samstag 10.09.2016
Höchsttemperatur heute 26,9 Grad - niedrigste Temperatur 21,7 Grad

Heulende Mütter und grummelnde Väter
Das Wochenende der Abschiede



Wir sind ja bereits erfahren im Loslassen. - Wir heulen und grummeln nicht mehr wenn die Brut das Nest verlässt, zumindest nicht, wenn jemand hinguckt. - Bei meiner Frau bin ich mir eh nicht so sicher, warum die so nachdenklich ist heute. - Ist es, weil nun die jüngere Tochter auch wieder in der Ferne schweift, oder ist ihr klar geworden, dass sie nun wieder Wochen, wenn nicht Monate, mit mir alleine das Heim teilen muss? - Lassen wir diese Frage offen, auch ich habe Gefühle und selbst sieben Katzen geben da keine Antwort, obwohl sogar die Tiere heute bemerkenswert ruhig sind. - Vielleicht auch aus Angst? - Reden Sie mir bitte so was nicht ein… Ob Routine Verluste einfacher macht, darüber können wir in ein paar Jahren noch mal reden, auf jeden Fall hilft Routine cool zu bleiben, man kennt halt inzwischen die Ecken am Flughafen, wo man die Nase putzen kann, ohne aufzufallen.

Dieses Wochenende ist wieder großer Aderlass. Unsere Hoffnungen verlassen die Insel und sicher ist es für die vielen "Erstverabschieder" schwerer, als für uns. - Wir zögern den Abschied auch nicht bis Sonntagabend raus, wenn die meisten dann den Flug ins neue Leben nehmen. Vielleicht will man so auch dem kollektiven Heulzwang am Eingang zur Sicherheitskontrolle entgehen, diese kleine Barriere, sogar ohne physische Grenze, bildet sie doch so etwas wie den zehnten Schnitt durch die Nabelschnur und dann ist eben ein Ozean zwischen Brut und Nest, und nicht nur eine Straße, ein Urlaubsziel, oder ein Ferienlager.

Es spielt sich aber nicht alles nur am Flughafen ab. Viele Eltern bringen ihre Kinder zum Studieren, welches für die palmerische Hochleistungsbrut meist auf Tenerife stattfindet, mit der Fähre und dem Auto in die Neue Welt. - Dabei machen nicht die Meilen den Abstand, Ozean ist Ozean, auch wenn der nächste Hafen nur anderthalb Stunden weit weg ist, keine Nabelschnur reicht so weit. - Aber man kann die Schnur temporär verlängern, in dem man eben die Kinder noch mit in die Fremde begleitet und manchmal sieht das dann aus wie der Treck der Türken der ersten Generation, welche 1965 mit Transits und Taunus´ über den Balkan in die Heimat gefahren sind. - Wobei das heute meist vollbepackte SUVs sind, oder falls irgendein Bananenblut in elterlicher Linie klebt, einer dieser Pickups aus der Japanerschmiede, als Toyota noch Autos ohne Rückrufgarantie baute.

Manchmal fliegt die Brut mit der Mutter auch mit dem Flugzeug und das Bodenpersonal, oft nur die Väter, die müssen eben mit dem bedieselten Packesel und dem Schiff kommen, auch weil in diesen SUVs und Pickups eigentlich nicht wirklich viel Platz für Passagiere ist. - Die Ladefläche kommt ja kaum in Frage, ein Palmero fährt nicht mit ungesicherter Ladung auf eine Fähre in die große Welt. Die Diebe lauern überall und würden die hervorragenden Kartoffeln und ganzen gebrauchten Klamotten und Töpfe, Teller, Pfannen und Tiegel doch sicher glatt vom Auto klauen. - Und man muss viel mitnehmen in die Fremde. Selbst wenn das Kind einen Platz im möblierten Studentenwohnheim ergattert hat, oder eines dieser vielen Appartements, rund um die Universität La Laguna, in denen man dann zu viert in Wohngemeinschaften für lockere hundertfuffzich im Monat wohnen kann.

Wahrscheinlich bewahrt heimisch gefertigter Mojo die Familien-DNS. Warum man kiloweise Ziegenkäse und sowieso Kartoffeln mit nach Tenerife schleppen muss, wo es doch dort auch Ziegen gibt und nach Erzählung vieler Leute sogar die besten Kartoffeln des Archipels, ich weiß es nicht. - Die Väter wissen das auch nicht, die schleppen nur die Säcke und eben die übergebliebenen Haushaltskleingeräte, welche noch von der Hochzeit vor 18 Jahren ziemlich unausgepackt im Schuppen endlich auf Nutzen warteten. - Auch scheinen an die 85% aller Tupper-Verpackungen dieses Wochenende die Insel zu verlassen. Mütter und Omas kochen seit Wochen kanarisches Gulasch, (Carne en Salsa) oder Fleischklößchen wie nur Oma sie machen kann, wobei das irgendwie jede Oma der Welt kann, wo immer man auch hinhört. - Das ist wieder der Punkt, an dem ich Vegetarier mit in mein tröstendes Abendgebet einschließe, denn noch ist die Generation an Omas nicht so frisch, dass die bereits Fleischklopse der Bratling- oder Sojaschrotklasse als Erbmasse produzieren.

Der Brut ist das meist sogar peinlich. Noch schlimmer dann, wenn die Übermütter der Helikopterklasse auch noch die erste Woche mit in der Wohngemeinschaft hausen und den Rest der Studenten noch mitbemuttern, weil da irgendwas nicht mit der Placenta aus dem Körper geflutscht ist. - Und dann muss man sich mal vorstellen, wie das ist, wenn gleich zwei solcher Alpha-Matronen der Brut den Weg ins Leben gründlich verpeilen. Die Amerikaner hätten bereits erfolgreiche Serien aus solch hervorragendem Material gemacht, wir verbraten so etwas als Alltag. - Manchmal werden auch Väter da gelassen, weil irgendwo in der Wohnung ja ein Schraube locker sein könnte und ich selbst habe das erlebt, dass Kinder ihre Väter gefragt haben: Papa, was machst du eigentlich hier und die Antwort lautete: Kind, ich weiß es nicht so genau, aber Mama hat gesagt, vor dem Vierzehnten soll ich nicht zurückkommen. - Ich höre gerade das Raunen, immer sind es die Mütter, wie ungerecht diese Darstellung ist. - Dabei stimmt das gar nicht, Männer verarbeiten ihre Verluste halt einfach anders. Wir wissen, wo man ungesehen die Nase putzen kann und dass die eigene Brut die Eltern hinter sich braucht, nicht neben, und schon gar nicht vor ihnen.


Wenn die Brut von der Insel verschwindet. - Eltern müssen hinter den Kindern stehen, nicht neben, oder gar vor ihnen. - Das zu lernen ist wohl die Hauptaufgabe, wenn man von Helikoptereltern zu guten Eltern wechseln will






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