Nachrichtenarchiv La Palma Aktuell September 2016




Mittwoch 28.09.2016
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Ein bisschen Politik, nichts aus La Palma
und warum ich nie die Bank wechseln würde


Ich freue mich immer, wenn die von der Bank anrufen. - So ganz genau weiß ich es nicht, ob die es wirklich so nötig haben, oder ob es daran liegt, dass ich unser Konto seit nunmehr fast 2 Jahren nicht mehr überzogen habe. - Alle drei Monate ruft ein freundlicher Herr an, es ist immer der Gleiche, wir kennen uns schon. - José heißt er nicht, aber ich nenne ihn jetzt mal so, damit die Geschichte auch einen Namen bekommt. - José ruft immer gegen Abend an, da hat man die größte Möglichkeit, die Leute zu erwischen. Er besitzt ja auch den Vorteil, nicht irgendein angestrengter Telefonverkäufer zu sein, der einem einen neuen Internetanschluss anbieten will, und den man sofort, wenn auch höflich, wieder abschütteln will. - José kann sagen, hier bin ich wieder, es freut mich Ihnen als privilegierten Kunden erneut einen äußerst günstigen Kredit anbieten zu können. - Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich freut dieser Anruf. In meinem früheren Leben, welches erst vor ein paar Jahren endete, riefen die Leute von der Bank immer mit einem anderen Ton, und ganz bestimmt anderem Hintergrund an.

Ich kann das Wort privilegiert kaum richtig schreiben, da nennt man mich plötzlich auf der Bank einen solchen Kunden und es muss wohl wirklich so sein, die müssen Geld auf die Straße werfen, weil die ja inzwischen Geld bezahlen müssen, weil sie welches haben. - Die Geschichte mit den Negativzinsen bereitet uns doppelt examinierten Salonmarxisten natürlich allerhellste Freude. Endlich schlägt sich der Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen, Geld kostet plötzlich Geld, und reproduziert sich nicht mehr selbst. - Fast könnte man hoffen, Karl Marx kommt jeden Moment aus dem Grab gekrochen um eine Runde Yogi-Tee mit uns zu trinken, aber ich fürchte mal der, also der Karl, der würde schon ziemlich riechen. - José kennt mich ja auch schon ganz gut. Er weiß ganz genau, dass er mir keinen Kredit verkaufen kann, aber baut sicher in seiner "to call-Liste" ein paar Anker wie mich ein, die ihn nicht gleich anpöbeln, den Hörer einfach auflegen oder ihn gar mit robusten Drohungen belegen und von Telefonterror sprechen.

Ich fühle mich sehr geehrt, als privilegierter Kunde bezeichnet zu werden und die Ehre zu haben, von ihnen Geld angeboten zu bekommen. Aber ich bräuchte keines, mein Haus gehört mir, mein Auto ist abbezahlt, eine Tochter fast fertig und im Tourismus schreiben wir gute Zahlen seit anderthalb Jahren. - Das Spiel verlangt, dass José noch ein paar Vorschläge bringen muss, zumindest ist er das als Telefonverkäufer seiner Professionalität schuldig, wie es denn vielleicht mit einem neuen Auto sei, einen Anstrich des Hauses oder gar einer Weltreise? - Lieber José, älter werdende Kommunisten sind das konservativste Pack, welches es überhaupt gibt. Immer das gleiche Auto, immer im gleichen Haus und selbstverständlich immer mit der gleichen Frau, und was bitte soll ich in fremden Ländern? - Auf Migrant machen, oder in Kneipen gehen, wo mich keiner kennt und das in Sprachen, mit denen ich den Leuten keine Geschichten erzählen kann? - Letzter Geschäftspunkt: Ich hätte zu wenig "Traffic" auf meiner Kreditkarte, so zu sagen überhaupt keinen. Ich mache es ihm einfach und auch kurz, ich würde überlegen, in die Partido Popular einzutreten und die würden auch alle in bar bezahlen, außer sie hätten eine "trajeta black". - Also eine schwarze Kreditkarte, welche nicht diese Farbe trägt, sondern in Spanien so bekannt geworden ist, da manche Kreditinstitute solche Karten an Politiker vergeben haben, ohne deren Konten zu belasten.

Das ist meist der Auftakt zum privaten Teil des Gespräches. Er könne leider eine solche Karte nicht bieten, er selbst hätte keine und wenn das so weiterginge mit den niedrigen Zinsen, dann hätten solche Leute wie ich, die das Geld im Kopfkissen lagern, sogar Recht. - Das ist mein großer Moment! - Ein Mensch aus der Bankenszene gibt mir Recht und lasse ihn in dem Irrtum, ich hätte Geld im Kopfkissen versteckt. In Wirklichkeit habe ich nichts zu verstecken, aber wenn er das wüsste, dann würde mich José von der Bank vielleicht nie wieder anrufen. - Ich bringe nun den üblichen politischen Witz nach der Galizienwahl, in welcher die Partido Popular erneut als Gewinner hervorgegangen ist und sogar zulegen konnte. Obwohl man ein paar Wochen früher noch einen faustsicken Skandal in der Partei produzierte, in dem man den zurückgetretenen Ex-Superminister José Manuel Soria als spanischen Vertreter in die Weltbank schicken wollte. - Den hatte man zu Jahresbeginn im Dunstkreis von Panamá ganz schnell seine Akten vom Tisch räumen sehen, und nie wieder danach ein Ton von dem, sonst sehr robust auftretenden, Aznar-Klon gehört.

Der Witz, oder hier eben bis zum Lachen persiflierte Wahrheit: Die Partido Popular braucht noch fünf weitere Korruptionsskandale, bis sie wieder die absolute Mehrheit erreicht, und die schafft sie locker bis in den Dezember, wenn wieder Wahlen sind. - Schmerzhafte Wahrheiten als Witz erzählen, um den Alltag hinnehmen zu können, oder eben mich als privilegierten Bankkunden zu bezeichnen, da schließt sich schon irgendwie so etwas wie ein sarkastischer Kreis. - Nicht satanisch, auch nicht zynisch, sondern ein mir gut bekannter Mann hat mal gesagt: Sarkasmus sei die Poesie des Verzweifelten, und so wird der politische Witz in Spanien wohl auch formuliert. - Nun aber kontert José nach der notwendigen und höflichen Lachpause, ich solle mir aber doch mal überlegen, was das eigentlich über die weiteren politischen Kräfte im Lande aussagen würde. - So schlecht müssen die anderen Parteien sein, dass die Partido Popular trotzdem immer wieder gewinne.

Krawumm, das hat eingeschlagen wie eine Bombe, denn José hat nicht einfach nur Recht, sondern den Nagel auf den berühmten Kopf getroffen. Selbst die als Alternativen zum System angetretenen neuen Kräfte beweisen bereits nach der ersten Wahl, dass sie auch System sind, in dem sie eigene Parteiinteressen vor die Regierbarkeit des Landes stellen. - Pablo Iglesias von Podemos ruft ganz richtig aus: Wir sind das Ergebnis ihrer falschen Politik, und ruft das natürlich in Richtung der ewigen Parteien. - Da hat er Recht, das Ergebnis wohl, aber auch nicht die Lösung, sondern nur ein trotziger Ableger mit bereits nachpubertärer Berechnung. - José und ich verabreden uns für ein weiteres Gespräch noch vor den dritten Parlamentswahlen in diesem einen Jahr zu Weihnachten. - Ich verspreche, mich weiterhin privilegiert zu verhalten, was immer das auch ist, und er verspricht mir mal in den Schubladen der anderen Kollegen nachzusehen, ob da nicht doch ein paar schwarze Kreditkarten herumliegen würden, damit wir, also er und ich, auch endlich nicht nur privilegiert, sondern sogar noch systemrelevant werden können.






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